Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
Linderung verschaffen, dann jedoch würde das Jucken umso heftiger
werden.«
Er betrachtete
erneut die unendlich vielen weißen Punkte über ihren Köpfen.
»Aber ich
will mich nicht groß beschweren. Im Vergleich zu deinem Exmann geht es mir mit meinem
lädierten Knöchel vermutlich phänomenal gut.«
»Das Gleiche
habe ich vor ein paar Sekunden auch gedacht.«
Maria griff
in sein Genick, zog ihn zu sich herunter und küsste ihn sanft auf den Mund.
»Und es
muss dich jetzt absolut nicht beunruhigen, dass mir so was durch den Kopf geht.
Du bist mein Mann, und Erich ist mein Exmann.«
»Es macht
mir nichts aus, dass du an ihn denkst und dass es dich beschäftigt, wie die Geschichte
für ihn ausgeht. Ganz im Gegenteil, ich finde es gut.«
»Warum?«
»Ihr wart
eben lange verheiratet. Was immer auch in den letzten Jahren passiert sein mag,
muss in solch einem Moment zweitrangig sein, und dass du das auch so siehst, macht
mich ziemlich zufrieden. Es zeigt mir, dass du die Dinge ruhen lassen kannst.«
»Erich ist«,
erwiderte sie nach einer Weile des Nachdenkens mit gerunzelter Stirn, »ein ziemlicher
Idiot, und an dieser Denkweise über ihn wird sich für den Rest meines Lebens auch
nichts mehr ändern, aber hier geht es gar nicht um Erich Zeislinger an sich, hier
geht es darum, dass ein Mensch verdammt übel zugerichtet wurde und vielleicht sterben
wird. Wobei ich diesen Menschen natürlich gut kenne und weiß, dass er sich sein
ganzes Leben lang wie blöd vor dem Sterben gefürchtet hat. Und alles, was damit
nur im Entferntesten zu tun hatte, war schon immer ein absolutes Tabuthema für ihn.«
»Geht das
nicht allen Menschen so?«
»Keine Ahnung.
Mich belastet das Thema nicht mehr, seit ich damals dem Tod mit letzter Kraft von
der Schippe gesprungen bin. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, dass er mich,
meinetwegen auch aus Versehen, fallen gelassen hat, weil ich aktiv an diesem Prozess
nach meiner Erinnerung gar nicht beteiligt war.«
Maria sprach
von einem schweren Unfall ein paar Jahre zuvor. Der Fahrer eines Kleintransporters
hatte im Schneetreiben die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und ihren Wagen
von der Straße gedrängt, wobei sie schwerste Verletzungen davontrug und sogar reanimiert
werden musste.
»Ich kann
ja nun nicht sagen, dass ich mich auf den Tod freuen würde«, stellte Lenz nüchtern
fest, »allerdings macht er mir auch nicht besonders viel Angst. Das war früher,
als ich noch jünger war, übrigens eindeutig anders.«
»Vielleicht
hängt es damit zusammen, dass du damals noch mehr zu verlieren hattest. Mehr Zeit,
meine ich.«
»Das kann
wohl sein«, gab er resolut zurück, »aber damit soll es für heute auch reichen mit
Tod und Teufel, was meinst du?«
»Von mir
aus gern.«
Der Kommissar
hielt seinen rechten Arm hoch und sah auf die Uhr.
»Dann würde
ich vorschlagen, du erzählst mir noch ein bisschen darüber, wie deine Präsentation
gelaufen ist.«
Dieser Bitte
kam Maria mehr als bereitwillig nach, wobei ›ein bisschen‹ der Sache definitiv nicht
gerecht wurde, denn ihre überaus blumigen Schilderungen zogen sich über mehr als
eine Stunde hin. Dann gähnte Lenz so demonstrativ, dass sie sich nach einem kurzen
Intermezzo im Badezimmer ins Bett zurückzogen und beide sofort einschliefen.
Das enervierende
Klingeln des Telefons bahnte sich außerordentlich langsam seinen Weg in die Hirnwindungen
des Polizisten, doch in dem Sekundenbruchteil, in dem es dort angekommen war, schreckte
Lenz schlagartig hoch und wollte direkt aus dem Bett springen. Erst als sein rechtes
Bein schon über der Bettkante hing, wurde ihm bewusst, dass die Beibehaltung dieses
gewohnten Bewegungsablaufs sowohl in dieser Nacht als auch in den nächsten Wochen
keine gute Idee darstellen würde. Also stützte er sich auf den Händen ab, kam auf
dem linken Bein hoch und griff im Dämmerlicht des offenen Fensters nach seinen Krücken.
Das kann
ja heiter werden in der nächsten Zeit , dachte er auf dem Weg in den Flur,
wo er das Mobilteil aus der Ladeschale nahm und ans Ohr hielt.
»Ja, Lenz.«
»Ich bin’s,
Thilo. Kannst du auch nicht schlafen?«
»Geiler
Witz. Kommt noch so ein Brüller, oder kann ich mich wieder ins Bett legen?«
»Nein, besser
nicht.«
Es entstand
eine Pause.
»Bist du
noch dran, Thilo?«
»Ja, klar.
Ich überlege nur gerade, wie ich dich in die Sache integrieren kann, ohne meinen
Job und meine Pensionsansprüche aufs Spiel zu setzen, Paul; von dem Ärger, der
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