Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
schloss kurz die Augen und holte tief Luft.
»Stimmt
es, dass Olli bei einem Stricher war, als er umgebracht wurde?«
»Wie es
sich im Augenblick darstellt, ja.«
»Als Freier?«,
folgte vorsichtig die Zusatzfrage.
»Die Situation,
in der die beiden gefunden wurden, war, was das angeht, eindeutig.«
»Das haut
mir echt den Vogel raus«, fasste Wesseling seine Erschütterung zusammen. »So lang,
wie ich ihn gekannt habe, hätte ich meine Hand für ihn ins Feuer gelegt. Dass er
ein Schwuli gewesen ist, wäre mir nie in den Sinn gekommen.«
»Das zertrümmert
schon das eine oder andere deiner Weltbilder, was?«, wollte Hain wissen.
»Quatsch.
Ich hab nichts gegen Hinterlader. Von mir aus kann jeder leben, wie er will. Nur
bei meinen Kumpels … finde ich es nicht so toll.«
»Wie auch
immer«, kam Lenz zu seiner Frage zurück. »Wem sind Sie auf die Füße getreten? Irgendwelchen
Zuhälterkollegen vielleicht?«
Nun schien
es so, als ob Wesseling wirklich ein paar Sekunden nachdenken würde.
»Nein. Mit
denen gibt es nichts. Ein paar Jungs aus Hamburg sind nicht gut auf mich zu sprechen,
aber die murksen nicht gleich jemanden ab.«
»Woher rührt
dieser Optimismus?«
»Weil ich
sie kenne. Es geht nur um ein paar Scheine, und deshalb fährt man nicht gleich die
Artillerie auf.«
»Was haben
Sie angestellt?«, wollte Lenz es etwas genauer wissen.
»Angestellt,
angestellt. Gar nichts habe ich angestellt. Es gab eine Pokerpartie in Hamburg,
bei der ich nicht gut ausgesehen habe. Allerdings glaube ich, dass die anderen mich
beschissen haben, also gibt es auch keine Kohle. So einfach ist das.«
»Gut«, resümierte
Hain. »Wenn die Hamburger Connection nach deiner Meinung mit der Sache nichts zu
tun hat, wer könnte es dann auf dich abgesehen haben? Irgendwelche Altlasten vielleicht,
die jetzt fällig gestellt werden? In deiner Branche haben die meisten Leute ein
Elefantengedächtnis, vergiss das nicht.«
Wieder dachte
Wesseling eine Weile nach.
»Nein, beim
besten Willen nicht. Es gibt immer ein paar Leute, mit denen man nicht so gut kann,
aber da geht es meistens nur um Peanuts. Deshalb bringt man doch niemanden um.«
»Aber dass
es sich um einen dummen Zufall handelt, glaubst du irgendwie auch nicht, was?«
Der Zuhälter
schluckte deutlich sichtbar.
»Na ja,
ich würde es schon gern, aber es funktioniert nicht. Und Lust darauf, der Nächste
zu sein, habe ich natürlich auch keine.«
»Wer wollte
Ihnen das verdenken«, zeigte Lenz sich einsichtig. »Gerade wenn man bedenkt, dass
die beiden nicht gerade unter angenehmen Umständen zu Tode gekommen sind.«
»Wie hat
es sich bei Olli abgespielt?«, fragte Wesseling leise.
Der Hauptkommissar
schüttelte den Kopf.
»Das wollen
Sie besser nicht hören. Und jetzt strengen Sie Ihren Grips verdammt noch mal an,
ob es noch irgendwo auf der Welt jemanden geben könnte, der mit Ihnen noch eine
Rechnung offen hat.«
Wieder wollte
der Mann im Bett nur genervt abwinken, als sich so etwas wie ein Zweifel in sein
Gesicht schlich.
»Es gab
letztes Jahr da so eine dumme Sache, mit der ich aber wirklich nicht die Bohne zu
tun hatte. Gerichtlich bestätigt und so.«
»Aha«, machte
Hain. »Und worum ging es bei dieser dummen Sache genau?«
»Irgendwer
hatte sich meine Karre unter den Nagel gerissen und damit einen Unfall verursacht,
bei dem eine Frau und ein Kind ums Leben gekommen sind. Das ist natürlich alles
eine ziemliche Scheiße gewesen, aber was kann ich dafür, wenn mir einer meinen Wagen
klaut?«
»Das war
deine Karre?«, entfuhr es Hain, der sich vage an die Berichterstattung in den Medien
erinnern konnte. »Der Mann bzw. der Vater der Todesopfer hatte überlebt, wenn ich
es richtig in Erinnerung habe, oder?«
»Ja, klar,
und damit hat die Scheiße für mich erst so richtig angefangen. Irgendwie hatte der
es sich in den Kopf gesetzt, mich am Unfallort gesehen zu haben, obwohl das natürlich
nicht wahr gewesen ist. Ich war zur besagten Zeit mit ein paar Freunden am Kartenspielen.«
»Und das
haben deine Kumpel vor Gericht selbstverständlich völlig übereinstimmend bestätigt«,
setzte der junge Oberkommissar mit nicht zu überhörender Häme hinzu.
»Ja, klar
haben sie das«, kam es sofort aus dem Bett zurück, »weil es halt auch so war.«
»So, so,
weil es halt auch so war«, äffte Hain ihn nach. »Und wenn ich ganz wild drauflos
spekulieren müsste, würde ich vermuten, dass dir der Autoschlüssel gleich mit abhandengekommen
ist,
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