Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
Respektabstand. Der Hausbesitzer führte die beiden Polizisten zu einer
Tür im Erdgeschoss, öffnete diese und bat sie ins Innere.
»Bitte,
nehmen Sie doch Platz.«
»Danke«,
erwiderte Lenz und setzte sich auf einen der angebotenen Küchenstühle.
»Ich stehe
lieber noch ein wenig«, lehnte Hain das Angebot dankend ab.
»Sie müssen
wissen«, begann Roland, nachdem er beiden ein Glas mit Wasser befüllt hatte, »dass
Herr Ahrens in den letzten Monaten sehr viel durchgemacht hat. Im Winter, also genauer
gesagt, am Heiligen Abend des letzten Jahres, wurden seine Frau und seine kleine
Tochter Opfer eines tragischen Verkehrsunfalls. Herr Ahrens, der ebenfalls im Auto
war, hat als Einziger überlebt.«
»Wissen
Sie mehr über den Hergang des Unfalls?«, wollte Lenz wissen.
»Nun ja,
was man so aus der Zeitung erfahren konnte. Mit Herrn Ahrens direkt habe ich damals
nur wenig über die Vorkommnisse gesprochen.«
»Und, was
hat er bei dieser Gelegenheit zu Ihnen gesagt?«
»Dass er
eine sehr schwere Zeit durchmacht. Und, dass er es nicht verstehen kann, dass so
etwas passieren konnte.«
»Wissen
Sie, wie es zu dem Unfall kam?«
»Ja, natürlich.«
In den folgenden
Minuten schilderte Horst Roland den Beamten den Hergang des Unglücks überaus detailgenau.
»Und dann
kam es zu dieser Gerichtsverhandlung, bei der ich selbst anwesend war, weil ich
mir den Mann ansehen wollte, der die zwei Menschenleben auf dem Gewissen hat. Aber,
ob Sie es glauben oder nicht, er wurde freigesprochen. Man musste ihn freisprechen,
weil ein paar von seinen Freunden für ihn ausgesagt haben. Aber wenn Sie mich fragen,
war das ein abgekartetes Spiel. Die haben sich abgesprochen, damit ihrem Kumpel
die Strafe erspart bleibt.«
»Und Herr
Ahrens? Wie hat er auf das Urteil reagiert?«
»Nach außen
hin ist er ganz ruhig geblieben. Natürlich, so glaube ich zumindest, war er enttäuscht,
aber anmerken lassen hat er es sich nicht.«
»Kennen
Sie ihn schon länger?«
Roland sah
kurz an die Decke.
»Seit mehr
als 15 Jahren. So lang wohnt er schon hier im Haus. Irgendwann ist seine Frau dazugekommen,
und letztes Jahr eben das Baby.«
»Wie würden
Sie ihn beschreiben? Was ist er für ein Mensch, der Herr Ahrens?«
»Ein herzensguter
Mensch ist er. Einer, bei dem man morgens um vier klingeln kann, wenn man ein Problem
hat, und der immer für einen da ist. Und das ist in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich,
das kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung heraus sagen.«
Er zögerte
einen Moment.
»Aber das
hängt bestimmt auch mit seiner Religion zusammen. Herr Ahrens ist nämlich ein sehr
gläubiger Mensch. Ein sehr, sehr gläubiger Mensch.«
Die beiden
Polizisten sahen sich fragend an.
»Wie darf
ich das verstehen«, wollte Hain wissen, »wenn Sie sagen, er sei ein sehr, sehr
gläubiger Mensch ?«
»Nun, er
ist Mitglied einer freikirchlichen Religionsgemeinschaft. Genaueres kann ich Ihnen
dazu leider nicht sagen, weil ich selbst es nicht so mit den Göttern und den Religionen
habe, aber ihm bedeutet es nach meiner Wahrnehmung schon einiges.«
Wieder ein
Augenblick des Nachdenkens.
»Seine Frau
übrigens war ebenfalls Mitglied der Gemeinschaft; ich glaube, die beiden haben sich
auch dort kennengelernt.«
»Haben Sie
mal mit ihm über seinen Glauben gesprochen?«
»Nein, mit
Herrn Ahrens nie. Mit seiner Frau hingegen schon. Die hat ein paarmal davon erzählt,
wie schön es sei, sich mit den anderen aus der Gruppe zu treffen, Gottesdienste
zu feiern und zusammen zu sein.«
Er sprang
so urplötzlich auf, dass die beiden Beamten unwillkürlich zusammenzuckten.
»Warten
Sie, ich bin gleich wieder da. Frau Ahrens hat mir mal eine Broschüre in die Hand
gedrückt, für den Fall, dass ich Lust verspüren sollte, Gottes Nähe zu suchen. Dazu
kam es, aus den eben genannten Gründen, jedoch nie.«
Damit stürmte
der ältere Mann aus der Küche, machte sich ein paar Augenblicke lang an einem Schrank
im Flur zu schaffen und kam schließlich mit einer Hochglanzbroschüre in der Hand
zurück. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas Triumphierendes.
»Bitte«,
strahlte er. »Können Sie mitnehmen.«
Plötzlich
jedoch zog er das Papier zurück und sah die Polizisten mit ernster Miene an.
»Und jetzt
sagen Sie mir bitte, was dem Herrn Ahrens überhaupt vorgeworfen wird. Was, meinen
Sie, hätte er verbrochen und was genau sollte das mit der Mordkommission zu tun
haben?«
»Dazu kommen
wir gleich, Herr Roland«, dämpfte Lenz den Wissensdurst des
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