Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus (German Edition)
Bruder bei ihm, dem Sven sein Vermächtnis diktierte.
Sven wollte in einem offenen Sarg in seinem Clubhaus aufgebahrt werden, sechs Prospects sollten dabei Totenwache stehen. Danach wollte er verbrannt werden. Sven wollte, dass seine Asche mit hundert Gramm erstklassigem holländischem Koks und hundert Gramm skandinavischem Speed vermischt wird. Jeder seiner Brüder, der Lust hatte, sollte es sich in die Nase ziehen. Den Rest sollten seine skandinavischen Brüder auf einem Schiff aufs Meer bringen und auf dem Wasser verstreuen. Seine letzten Gedanken gehörten dem Club, seinen Brüdern. Am Ende seines Briefes wünschte er uns allen Lebewohl.
Alle Charter weltweit wurden zu seiner Beerdigung eingeladen. Für mich war es eine Pflicht, dort zu erscheinen. Ich rief meine Kasseler Brüder zusammen, und wir organisierten die Tour. Wir machten uns also auf den Weg nach Kopenhagen, wo wir unsere dänischen Brüder trafen. Nach einem kurzen Zwischenstopp fuhren wir am nächsten Morgen nach Schweden zum Clubhaus. Als wir dort ankamen, waren schon viele Brüder aus der ganzen Welt anwesend. Das Clubhaus war brechend voll, in den Straßen rund herum standen zahlreiche Motorräder. Prospects leiteten Motorrad-Freunde aus anderen Clubs um, die an der Beerdigung teilnehmen wollten, die mussten zum Teil in weit entfernten Straßen parken.
Gegen Nachmittag ging die Show los: Das Auto mit Svens Sarg verließ das Clubgelände, dahinter fuhren die Brüder seines Charters mit ihren Harleys, gefolgt von den dänischen, den finnischen und den norwegischen Hells Angels. Erst danach reihten wir uns ein. Insgesamt waren bestimmt fünfzehntausend Biker unterwegs: Der Korso zog sich über vierzig Kilometer – Motorrad an Motorrad in Zweierreihen. Ich war in meinem Leben wirklich schon auf vielen Beerdigungen, aber so etwas hatte ich noch nie erlebt! Wir fuhren zu einer kleinen schwedischen Kapelle etwa hundert Kilometer vom Clubhaus entfernt. Sven hatte sich gewünscht, dass dort seine Trauerfeier abgehalten würde. Nach der Veranstaltung wurde sein Sarg ins Krematorium gebracht, seine Leiche verbrannt und mit Koks und Speed vermischt. Ein paar Tage später brachten Svens Brüder seine Asche aufs Meer – genau so, wie er es sich gewünscht hatte.
Trip nach Amerika
Die zwei wichtigsten Partys, bei denen ein wahrer Hells Angel eigentlich niemals fehlen darf, sind der Euro-Run und der World-Run. Der Euro-Run findet einmal im Jahr statt. In Europa. Die Kosten für diese Mega-Party wurden aus der Europa-Kasse beglichen. Der World-Run ist abwechselnd in Übersee und in Europa. Von jedem Charter muss mindestens ein Member teilnehmen. Offizieller Beginn ist der Freitag, Ende ist am Sonntag. Einige Member reisen allerdings schon früher an, manche bleiben länger.
Ich war während meiner Zeit bei allen World-Runs, Euro-Runs und auch bei jedem Germany-Run. Aber besonders in Erinnerung blieb mir der World-Run 2006 in Cody, Wyoming. Ich wollte unbedingt dorthin, und niemand konnte mich von diesem Trip abhalten, obwohl ich genau wusste, dass es für einen vorbestraften Hells Angel wie mich schwierig würde, in die USA einzureisen. Meist wurde man von den amerikanischen Polizisten bei der Einreise am Flughafen entdeckt, in Abschiebegewahrsam gesteckt und in das nächste Flugzeug nach Hause gesetzt. Deshalb begann ich schon im Februar mit meinen Vorbereitungen. Ich überlegte mir, wo ich einreisen wollte und wie es von dort aus weitergehen sollte. Unter falschem Namen buchte ich einen Flug von Frankfurt nach Washington DC . Von dort wollte ich weiter nach Las Vegas, Boston und später Los Angeles fahren und von dort direkt nach Cody.
Zur gleichen Zeit begannen auch die Cops in Amerika, sich auf den Event vorzubereiten. Die amerikanischen Zeitungen berichteten oft darüber. In einem Beitrag der The Billings Gazette – Montana & Wyoming News vom 30. Mai 2006 hieß es, dass sie mit tausend Hells Angels rechneten. Zwei Polizeichefs diskutierten unter der Überschrift »Cody rüstet sich für die Hells Angels« über das, was kommen würde. Sie malten zwei Szenarien aus: Entweder würde es eine friedliche Veranstaltung mit nur kleineren Streitigkeiten werden, oder es würde zu gewalttätigen Vorfällen kommen, die in tödlichen Konfrontationen enden könnten. Die Regierung von Wyoming, so stand es in dem Bericht, stellte fünfhunderttausend Dollar für die Sicherheit der Einwohner Codys bereit. Neben dem Militär und der Luftwaffe wurden SWAT -Teams
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