Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus (German Edition)
Charter Ende 1999 gegründet. Ohne jede Begrüßung drängten sie in meine Wohnung. Ich war völlig überrascht und fragte sie, was denn los sei. Sie schwiegen. Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir wollten. Eine feindliche Stimmung lag in der Luft.
Keiner von ihnen hatte seine Kutte an. Alle trugen schwarze Bomberjacken, darunter kugelsichere Westen. In ihren Händen hielten sie blaue Müllsäcke. Sie liefen durch meine Wohnung und sammelten alles ein: T-Shirts, Pullover, Jacken, Bilder, Schmuck, alle meine Clubsachen. Schließlich wurden sie gierig und nahmen auch den Schlüssel der Harley an sich.
Während fünf von ihnen beschäftigt waren und meine Sachen durchwühlten, schnappte ich mir Joe, ein ganz normaler Member ohne besondere Funktion in unserem Charter. Ich griff ihn mir, weil er direkt neben mir stand, und ging mit ihm ins Bad. Ich wollte endlich wissen, was eigentlich los war. Doch bevor er etwas sagen konnte, stand Jack schon in der Tür. Er lehnte sich gegen den Rahmen, in seiner Hose steckte ein Revolver. Joe nuschelte etwas von einem bewaffneten Raubüberfall. Mit einem Bekannten soll ich zwei Russen überfallen und dreißig Kilo Koks erbeutet haben. Die Ware hätte ich angeblich eingesteckt und am Club vorbeigeführt. Ich fragte, wer solch einen Bullshit erzählen würde, und forderte, dass wir sofort losziehen, um die Sache zu klären. Das wollten sie aber nicht. Erst später verstand ich, warum nicht.
Nach einer Viertelstunde waren sie fertig und verließen meine Wohnung. Im Flur sagte einer: »Das war’s jetzt für dich, Uli. Out.« Ich stand in meiner Wohnungstür, bekleidet mit einer Boxershorts. Den Rest hatten meine Brüder mitgenommen: meine Lederkutte mit den Aufnähern des Clubs und den goldenen Dead-Heads, mein Shirt mit dem Schriftzug. Alles war weg.
Ich war fassungslos, ging zurück in meine Wohnung, schloss die Tür und setzte mich auf mein Bett. Ich war zu müde, um über das, was gerade geschehen war, nachzudenken. Nach sechsunddreißig Stunden äußerst anstrengender Reise fielen mir die Augen fast im Stehen zu; ich wollte die Sache am nächsten Tag aufklären. In meiner Wohnung lag ein miefiger Geruch. Über dem Mülleimer in der Küche kreisten kleine Fliegen. Ich hatte vergessen, ihn vor meiner Reise zu leeren. Ich lief zum Kühlschrank, schnappte mir eine Packung Milch und trank daraus einen großen Schluck. Die Milch war sauer. Ich spuckte alles in die Spüle und schnappte mir ein Bier. Ein Zug und die halbe Flasche war leer. Ich baute mir eine Tüte. Meine Daumen waren schlapp, ich konnte kaum noch drehen. Nach vier Zügen schlief ich ein.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, drehte ich mir eine Zigarette und überlegte mir, wie ich die Sache aufklären könnte. Ich wollte Klarheit schaffen und die Vorwürfe gegen mich aus der Welt räumen.
Ich war ein Hells Angel.
Ich war ein Hells Angel
Ich stapfte durch mein Wohnzimmer, die kleinen Staubkügelchen flogen in die Ecken. Ich suchte meine Zigaretten. Nach der ersten Kippe griff ich zu meinem Handy. Ich wollte wissen, warum meine Brüder mir so etwas anhängen wollten. Ihrem Bruder, der sie alle zu Membern ernannt hatte. Ihrem Gründer. Ohne mich hätte es das Charter nicht gegeben, und ohne mich hätte das Charter in Kassel schon längst vor den Bandidos und den Zuhältern kapituliert. Ich war derjenige, der die Leute zusammengetrommelt hatte, als uns die Bandidos in unsere Geschäfte pfuschen wollten. Ich ging immer als Erster auf unsere Feinde los und tat den ersten Schlag. Und jetzt sollte alles vorbei sein?
Ich wählte die Nummer eines Bruders aus Kassel. Er ging nicht ans Telefon und rief auch später nie zurück. Dann wählte ich die Nummer eines Bruders aus Bremen. Er begrüßte mich und sagte, dass er mit mir nicht mehr reden dürfe: »Du bist raus, Uli. Out!« Dann legte er auf. Ich rief weitere Brüder an, in Berlin, Frankfurt und Essen. Immer wieder hörte ich diesen Satz, doch ich konnte ihn nicht verstehen. Ein Überfall sollte der Grund für meinen Rauswurf sein? Ich sollte
Ich war ein Hells Angel
zwei Russen überfallen und ihnen dreißig Kilo Koks abgenommen haben? Es passte nichts zusammen. Ich hatte weder irgendwelche Russen überfallen noch Koks geraubt.
An diesem Tag war ich mit meiner Schwester verabredet. Als wir uns trafen, erzählte ich ihr, was passiert war. Sie hatte nie etwas mit meinen Geschäften zu tun. Ab und zu war sie mit auf unseren Partys. Sie wusste auch keine
Weitere Kostenlose Bücher