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Höllenschlund

Höllenschlund

Titel: Höllenschlund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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Dutzend rechteckigen Löchern perforiert. Mit zitternden Fingern legte er diese Schablone über die erste Seite des Artischocken-Textes. Dann übertrug er die Buchstaben, die durch die Löcher sichtbar waren, auf ein anderes Blatt Papier.
    Als Jefferson den Plan für die pazifische Expedition gefasst hatte, war ihm bewusst gewesen, dass sich Lewis in eine schwierige diplomatische Stellung begab, wenn er Territorien erkundete, die von Frankreich und Spanien beansprucht wurden. Unter Jeffersons sphinxhafter Unerschütterlichkeit verbarg sich ein Geist, dessen Verschlagenheit es mit denen aufnehmen konnte, die an den Höfen und Palästen Europas weilten. Für die Korrespondenz mit seinem Abgesandten in Frankreich hatte er häufig eine Verschlüsselung benutzt, die er als »Maske für den Bedarfsfall« bezeichnet hatte.
    Während sich Lewis in Philadelphia gemeinsam mit führenden Wissenschaftlern der Philosophischen Gesellschaft auf die große Reise vorbereitet hatte, ließ ihm Jefferson einen Schlüssel zukommen, den er eigens für die Expedition ausgearbeitet hatte. Diese Chiffriermethode basierte auf der Vigenère-Verschlüsselung, die in Europa weit verbreitet war.
    Das System arbeitete mit einer alphanumerischen Tabelle und einem Schlüsselwort.
    Artischocken.
    Es hatte keine Notwendigkeit bestanden, die Verschlüsselung während der Expedition zu benutzen, weswegen Lewis nur einen kurzen Augenblick gebraucht hatte, um den Zusammenhang zu erkennen. Er verschob seine Fragen auf später und machte sich an die Entschlüsselung der Nachricht, genauso begeistert, wie er auch jede andere Aufgabe in Angriff nahm. Die dechiffrierten Buchstaben fügten sich zu Wörtern zusammen, die allmählich einen Sinn ergaben.
    Lieber Mr. Lewis!
    Ich hoffe, Sie befinden sich in guter Verfassung. Ich habe mir die Freiheit genommen, Ihnen diesen Bericht in der verschlüsselten Form zukommen zu lassen, die wir einst vereinbart hatten, damit sie nur Ihnen persönlich zugänglich wird. Ich fürchte, dass die beiliegenden Mitteilungen, ob sie nun der Wahrheit entsprechen oder nicht, die Leidenschaft gewisser Menschen entfachen könnte, sich in Regionen zu begeben, die ihrem Leben unzuträglich sind, und Probleme mit den Indianern heraufzubeschwören. Mir ist bewusst, dass die schwierige Aufgabe, dem Hengst von Louisiana Zügel anzulegen, Ihre ganze Aufmerksamkeit erfordert, aber ich bitte Sie dennoch um
Unterstützung bei der Aufklärung dieser Angelegenheit.
    I’r erg’b’n’r D’n’r, TJ
    Lewis entzifferte nun den Haupttext der Geheimbotschaft.
    Dann widmete er sich wieder dem Grundriss des Gartens. Die Linien, Kreuze, Kreise und in einer uralten Sprache verfassten Wörter ergaben allmählich einen gewissen Sinn. Schließlich blickte er auf eine Landkarte – und daran kam ihm etwas vertraut vor. Er ging Dutzende seiner kartografischen Entwürfe durch und fand schließlich auch, wonach er suchte.
    Er nahm Papier und Feder und schrieb eine kurze Mitteilung. Darin dankte er Jefferson für seine gärtnerischen Ratschläge und sagte, dass er die ideale Stelle für den Anbau dieser Pflanze gefunden hätte. Er schloss damit, dass er die landwirtschaftlichen Aspekte mit Jefferson besprechen würde, wenn er nach Washington zurückkehrte, um seinen Namen reinzuwaschen. Lewis beabsichtigte, sich Anfang September 1809 auf die Reise über den Mississippi zu machen. Er würde Jefferson eine Notiz schicken, sobald er in Washington eingetroffen war.
    Doch dazu kam es nie. Im Spätherbst des Jahres erhielt Jefferson einen Brief von einem gewissen Major Neelly, in dem es hieß, dass Lewis auf dem Natchez-Trace-Wildpfad an den Folgen einer Schussverletzung gestorben war. Er war nur fünfunddreißig Jahre alt geworden.
    Jefferson war über den Tod dieses begabten jungen Mannes fassungslos. Fast erweckte es den Anschein, als wären die indianischen Wörterbücher mit einem uralten Fluch belegt.
    Mehrere Wochen später traf Major Neelly mit Lewis’ jungem Sklaven in Monticello ein. Während Neelly sich noch vom Staub der Reise reinigte, trat der Sklave scheu zu Jefferson, um ihm ein Päckchen zu überreichen und eine Nachricht zuzuflüstern.
    Der ehemalige Präsident wies sein Personal an, ihn nicht zu stören, und schloss sich in sein Arbeitszimmer ein, um den Inhalt des Päckchens zu studieren. Dann verfasste er eine ausführliche Analyse der Ereignisse, die zum Tod von Lewis geführt hatten. Das erste Licht der Dämmerung drang bereits durch die

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