Höllenschlund
passen.«
»Ich bin froh, dass du das sagst«, erklärte Angela mit einem Seufzer der Erleichterung. »Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass ich vielleicht nur deine Zeit vergeude.«
»Verdammt, nein!« Harris schüttelte den Kopf. »Die meisten Leute wissen gar nicht, dass Jefferson ein sehr fähiger Kryptologe war. Er hat Chiffren benutzt, um mit James Madison und anderen politischen Persönlichkeiten zu kommunizieren. Zu einem Experten für Verschlüsselungen wurde er während seiner Zeit als Botschafter in Frankreich.« Er erhob sich von seinem Stuhl. »Komm mit. Ich muss dir etwas zeigen.«
Er führte sie in den Ausstellungsbereich und blieb vor einer Vitrine stehen, in der ein Holzzylinder stand, der an einer Spindel aufgehängt war. Der Zylinder besaß einen Durchmesser von etwa fünf Zentimetern und eine Länge von etwa fünfzehn und war aus mehreren Scheiben zusammengesetzt.
Die Ränder dieser Scheiben waren allesamt mit Buchstaben beschriftet.
»Das wurde in einem Haus in der Nähe von Monticello gefunden«, erklärte Harris. »Wir glauben, dass es eine ›Jefferson-Walze‹ ist, die er erfunden hat, als er in Washington Außenminister war. Man schreibt eine Botschaft und dreht die Scheiben, um eine andere Buchstabenabfolge zu erhalten. Die Person, die die Botschaft enthält, entschlüsselt sie mit einem ähnlichen Gerät.«
»Sieht aus wie aus dem
Da Vinci Code
.«
Harris lachte leise. »Der alte Leonardo wäre von der nächsten Evolutionsstufe der Chiffrierwalze begeistert gewesen.«
Er zerrte sie zu einer anderen Vitrine, die mehrere Maschinen enthielt, die wie recht große Schreibmaschinen aussahen.
Sie las das kleine Schild. »Enigma-Chiffrierapparate«, sagte sie aufgeregt. »Davon habe ich irgendwie auch schon mal gehört.«
»Sie gehörten zu den bestgehüteten Geheimnissen des Zweiten Weltkriegs. Es gab Leute, die für ein solches Gerät getötet hätten. Im Prinzip waren es aber nur veredelte Versionen von Jeffersons Chiffrierwalze. Mit dem Ding war er seiner Zeit weit voraus.«
»Zu schade, dass wir keins von diesen Geräten benutzen können, um seine Botschaft zu entziffern«, sagte Angela.
»Das müssen wir vielleicht gar nicht«, sagte Harris.
Sie kehrten in sein Büro zurück, wo er sich wieder auf seinen Schreibtischstuhl fallen ließ. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Finger unter dem Kinn.
»Wie kommt es, dass du dich für das Thema Verschlüsselung interessierst?«, fragte er.
»Ich bin gut in Mathematik. Ich löse gern Kreuzworträtsel, und ich habe mich schon als Kind für Akrosticha begeistert.
Mein Interesse für Rätsel ging so weit, dass ich Bücher über das Thema gelesen habe. Deswegen habe ich auch schon einmal von Chiffrierschablonen und Jeffersons Interesse an der Kryptografie gehört.«
»Die Hälfte aller Kryptologen der ganzen Welt hätte mir die gleiche Antwort gegeben«, sagte Harris. »Es war genau dieses Interesse, das es dir nahegelegt hat, die Möglichkeit einer verborgenen Botschaft in diesem Dokument zu erkennen.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Irgendetwas daran kam mir einfach seltsam vor.«
»Die NSA beschäftigt sich regelmäßig mit Sachen, die einem ›seltsam‹ vorkommen. Jefferson hätte sich bei uns wie zu Hause gefühlt.«
»Was hat nun aber die Chiffrierwalze damit zu tun?«
»Gar nichts. Jefferson hat in späteren Jahren keine kryptografischen Geräte mehr verwendet. Ich vermute, dass er nur die Schablone benutzt hat, um eine verborgene Botschaft zu schreiben, um zu vertuschen, dass der Artischocken-Text eine Geheimbotschaft enthält. Er hat die Botschaft in die Löcher in der Pappe geschrieben und dann irgendwelche Sätze drumherum gebaut.«
»Mir ist aufgefallen, dass die Syntax in manchen Zeilen gestelzt oder einfach nur ungewöhnlich klingt.«
»Gut beobachtet. Und jetzt gehen wir mal davon aus, dass Jefferson noch eine zweite Verschlüsselungsebene eingebaut hat. Als Erstes müssen wir die Buchstaben abschreiben, die durch die Löcher in der Schablone sichtbar sind.«
Angela zog ein Notizbuch aus ihrer Aktentasche und reichte es Harris. »Das habe ich schon getan.«
Harris überflog die Zeilen aus scheinbar sinnlos angeordneten Buchstaben. »Fantastisch! Das erspart uns eine Menge Zeit.«
»Wo fangen wir an?«
»Vor etwa zweitausend Jahren.«
»Wie bitte?«
»Julius Caesar hat eine sogenannte Ersatzchiffrierung benutzt, um während der gallischen Kriege eine Botschaft an Cicero zu schicken. Er hat einfach
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