Höllenschlund
die lateinischen Buchstaben durch griechische ersetzt. Später hat er das System verbessert. Er hat jeden Buchstaben des Textes um drei Stellen im Alphabet verschoben. Diese Methode wird als Caesar-Substitution bezeichnet.«
»Hat Jefferson es genauso gemacht?«
»Nicht ganz. Die Araber haben entdeckt, dass man die Häufigkeit bestimmter Buchstaben in einem Text dazu benutzen kann, eine solche Ersatzchiffrierung zu entschlüsseln.
Maria Stuart verlor den Kopf, nachdem die Kryptologen von Königin Elisabeth die Nachrichten abgefangen hatten, die im Zusammenhang mit der Babington-Verschwörung verschickt wurden. Und Jefferson hat die Abwandlung eines Systems benutzt, das als Vigenère-Methode bekannt ist.«
»Die wiederum eine Erweiterung der Caesar-Substitution ist.«
»Korrekt. Man erzeugt mehrere Verschlüsselungsalphabete, in denen jeder Buchstabe jeweils um eine zusätzliche Stelle verschoben wird. Man schreibt sie untereinander, bis man ein Vigenère-Quadrat erhält. Dann wählt man ein Schlüsselwort, das man mehrmals hintereinander über die erste Reihe des Quadrats schreibt. Die Buchstaben des Schlüsselworts helfen einem, die verschlüsselten Buchstaben zu finden, als würde man die Schnittpunkte eines mathematischen Graphen suchen.«
»Das bedeutet, dass die Buchstaben des Klartexts immer wieder durch unterschiedliche Buchstaben ersetzt werden.«
»Das ist das Schöne an diesem System. Deshalb kann man es nicht mit Häufigkeitstabellen knacken.«
Harris wandte sich seinem Computer zu und tippte mehrere Minuten lang, bis er Buchstabenreihen in einem quadratischen Muster angeordnet hatte. »Das ist das übliche Vigenère-Quadrat. Jetzt haben wir nur noch ein Problem. Wir kennen das Schlüsselwort nicht.«
»Wie wäre es mit
Artischocke?
«
Harris lachte. »Poes ›Der entwendete Brief‹ der ganz offen daliegt?
Artischocke
war das Schlüsselwort, das Jefferson und Meriwether Lewis für die Expedition ins Louisiana-Territorium vereinbart hatten.«
Er schrieb das Wort mehrere Male über das Quadrat und versuchte, die Buchstaben zu dechiffrieren, die unter der Schablone sichtbar blieben. Er versuchte es dann auch noch mit dem Plural
Artischocken
und schüttelte schließlich den Kopf.
»Vielleicht war das zu offenkundig«, sagte Angela. Weiter versuchten sie es mit
Adams, Washington, Franklin
und
Amerika
, doch jedes Mal erlebten sie eine neue Enttäuschung.
»Damit könnten wir den ganzen Tag verbringen«, sagte Angela.
»Es könnte sogar Jahrzehnte dauern. Das Schlüsselwort könnte genauso gut eine sinnlose Abfolge von Buchstaben sein.«
»Also gibt es keine Möglichkeit, eine VigenèreVerschlüsselung zu knacken?«
»
Jede
Verschlüsselung lässt sich knacken. Der Vigenère-Kode wurde Mitte des neunzehnten Jahrhunderts von einem Typ namens Babbage dechiffriert, einem Genie, das manchmal als Vater des Computers bezeichnet wird. Seine Methode besteht darin, nach bestimmten Buchstabenabfolgen zu suchen, aus denen sich das Schlüsselwort bestimmen lässt. Aber so etwas übersteigt meine Fähigkeiten. Zum Glück befinden wir uns in Spuckweite der größten Kodeknacker, die die Welt hervorgebracht hat.«
»Du kennst jemandem in der NSA?«
»Ich werde mal bei meinem alten Professor anklingeln.«
Der Professor unterrichtete gerade, also hinterließ ihm Harris eine Nachricht. Mit Angelas Erlaubnis kopierte er die Dokumente, die sie mitgebracht hatte. Er hatte sich bisher so sehr auf den geschriebenen Text konzentriert, dass er der Zeichnung kaum Beachtung geschenkt hatte.
Angela sah, wie er nun die Linien und Kreuze musterte.
»Das ist der zweite Teil des Rätsels. Zuerst dachte ich, es wäre der Grundriss eines Gartens.« Sie erzählte ihm, was sie auf der Sprachen-Website gefunden hatte.
»Faszinierend, aber wir sollten uns vorläufig mit der Textbotschaft beschäftigen.«
Nachdem Harris alles kopiert hatte, steckte Angela ihre Dokumente wieder in die Aktentasche. Harris begleitete sie zur Tür und sagte, dass er sie über alles auf dem Laufenden halten würde.
Zwei Stunden später erhielt er einen Anruf von seinem Professor. Harris begann damit, ihm von dem besonderen Verschlüsselungsproblem zu erzählen. Doch als er den Namen Jefferson erwähnte, forderte der Professor ihn auf, sofort zu ihm zu kommen.
Professor Pieter DeVries wartete auf der anderen Seite der Sicherheitsschleuse auf Harris. Er zerrte Harris praktisch in sein Büro, so eilig hatte er es, einen Blick auf die Dokumente zu
Weitere Kostenlose Bücher