Höllenschlund
Jemand erforscht die Möglichkeit eines präkolumbischen Kontakts und braucht Hilfe bei der Rekonstruktion einer Seereise. Wir bekommen eine Menge merkwürdiger Anfragen herein.«
»Das ist überhaupt nicht merkwürdig. Ich habe Berge von Büchern und Artikeln über die Schiffstechnik der Phönizier gelesen. Aus der Sicht eines nautischen Ingenieurs waren sie in der Lage, fast überallhin zu fahren.«
»Also könntest du uns helfen, den Kurs zu berechnen?«, sagte Gamay.
Summers schüttelte den Kopf. »Das ist keine leichte Aufgabe«, sagte er. »Die Phönizier haben uns keine Seekarten oder nautischen Tabellen hinterlassen. Sie haben ihr nautisches Wissen sogar unter Einsatz ihres Lebens vor Fremden geschützt.« Als er die Enttäuschung in Gamays Miene bemerkte, fügte er hinzu: »Aber wir könnten es probieren.
Kommt mit. Wir wollen ein Schiff bauen.«
Summers führte sie in das Backsteingebäude, in dem sich derzeit sein Büro befand. Er setzte sich hinter einen Computer und klickte den Bauplan der
Atlantis
weg, der auf dem Bildschirm zu sehen war.
»Ich vermute, dass wir ein virtuelles Schiff bauen wollen«, sagte Trout.
»Das sind die besten überhaupt«, sagte Summers grinsend.
»Sie sinken nie, und man muss sich keine Sorgen wegen einer Meuterei machen.« Er rief eine Datei auf, und die Zeichnung eines Schiffes mit quadratischem Segel erschien auf dem Monitor.
»Ist das ein phönizisches Schiff?«, fragte Gamay.
»Das ist ein früher Typ, rekonstruiert nach Bildern von Vasen, Skulpturen, Modellen und Münzen. Das Schiff hat einen Kiel, einen abgerundeten Rumpf, Ruder und einen Hochsitz für den Steuermann.«
»Wir suchen nach etwas, womit man längere Ozeanreisen unternehmen kann«, sagte Trout.
Summers lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Die Phönizier haben ihre Schiffe nach ihren Bedürfnissen konstruiert.
Auch sie haben sich anfangs in Küstennähe gehalten und nachts geankert, doch später haben sie dann lange, ununterbrochene Reisen unternommen. Ich werde ein Computerprogramm verwenden, das für Architekten entwickelt wurde, die in Portugal und an der Texas A&M geforscht haben. Sie haben eine Methode entwickelt, um die Segeleigenschaften von Schiffen zu testen und zu evaluieren, von denen es keine Baupläne gibt. Das Ziel bestand darin, sich ein umfassendes Bild von diesen Typen zu machen. Sie haben portugiesische
naus
benutzt, die Handelsschiffe, die von Europa aus um Afrika herum nach Indien und zurück gesegelt sind. Seht euch das an!«
Summers beugte sich vor und klickte mit der Maus. Das computergenerierte Bild eines Dreimasters erschien auf dem Bildschirm.
»Sieht wie ein Geisterschiff aus«, stellte Gamay fest.
»Das ist nur der Grundriss. Die Daten stammen von der Erkundung eines Wracks. Daraus berechnet der Computer die Takelage, die Segel und die Spieren des Schiffes. Das hier ist zum Beispiel das Ergebnis einer solchen Rekonstruktion.
Wenn man ein hypothetisches Modell des Rumpfes erzeugt, kann man vorhersagen, wie sich das Schiff auf dem Wasser und sogar bei schlechtem Wetter verhält. Sobald man das mathematische Modell hat, kann man es in einem Windkanal testen.«
»Und dasselbe kannst du mit einem phönizischen Schiff auch tun?«, fragte Trout.
»Kein Problem. Wir werden drei bekannte Wracks benutzen, die wir im westlichen Mittelmeer und vor der Küste Israels gefunden haben. Diese Schiffe lagen aufrecht auf dem Meeresboden und waren im kalten Wasser sehr gut konserviert. Wir haben die
Jason
eingesetzt, das ferngesteuerte Gefährt, mit dem schon die
Titanic
fotografiert wurde, um ein Fotomosaik zu erzeugen. Dann habe ich sämtliches Material in meinen Computer eingegeben.«
Eine Abfolge von Zeichnungen, die wie Baupläne für einen Schiffsingenieur aussahen, erschien auf dem Bildschirm.
Sie zeigten das Schiff von oben, von der Seite und von vorn.
»Die Pläne deuten darauf hin, dass das Schiff nur fünfundfünfzig Fuß lang ist«, stellte Trout fest.
»Dies ist ein Modell, das aus den israelischen Schiffen zusammengesetzt wurde. Ich werde es etwas länger machen. Ich habe das Programm so eingestellt, dass es automatisch weitere Eigenschaften hinzufügt, die mit der Vergrößerung des Schiffes einhergegangen wären.«
Ein skelettartiges dreidimensionales Bild erschien, das den Rumpf und andere Elemente der Schiffsstruktur umriss. Dann wurden die Leerstellen ausgefüllt. Decks, Ruder, die Takelage und das Segel materialisierten sich, genauso wie ein Rammbock am
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