Höllental: Psychothriller
gelehnt, er stand in den Knien gebeugt da, als müsse er kacken, seine blassen Arschbacken leuchteten förmlich. Die beiden sahen ziemlich bescheuert aus, absolut lächerlich und verabscheuungswürdig. Er betätigte den Auslöser mit einem Hochgefühl im Bauch und schoss eine Reihe ordentlicher Aufnahmen.
Absolut eindeutige Fotos. Noch wusste er nicht, wofür, aber er ahnte, dass er sie bald brauchen würde.
Provinz Vardak, Afghanistan
Vergangenheit
D ie Hitze umgibt mich wie ein Wollmantel, den ich nicht ablegen kann. Mit jedem Schritt kämpfe ich gegen eine feste, zähe Masse an, jeder Atemzug schmerzt und trägt trotz des Tuchs über Mund und Nase Sand in meinen Körper. Die Wüste will mich! Sie will mich verschlucken, ausdörren und in Sand verwandeln, dann würde ich bis ans Ende aller Tage vom heißen Wind getrieben hier herumirren.
Aus wie vielen Menschen besteht dieser Sand?
Millionen und Abermillionen, und ich höre ihre Stimmen. Sie sind überall, sie sind der Wind, sie schreien und wimmern und flehen um Gnade, doch die gibt es nicht hier draußen.
Die Zeit habe ich vergessen. Es kann vor ein paar Stunden oder auch schon gestern gewesen sein, als unser Humvee von den Aufständischen abgeschossen wurde. Ich habe kein Wasser mehr. Die Flasche, die ich aus dem zerstörten Wrack mitgenommen habe, ist leer. Nicht weil ich unvorsichtigerweise zu schnell davon getrunken hätte, sondern weil sie am Boden ein Loch hat. Bei jedem meiner Schritte tropfte das Wasser in den Wüstensand, und ich habe es nicht bemerkt.
Mittlerweile ist es mir egal. Ich zähle auch nicht mehr meine Schritte. Ich bin von der Piste abgekommen. Der Sandsturm hat sie an einer Stelle zugedeckt, um mich in die Irre zu führen, und ich bin darauf hereingefallen. Jetzt orientiere ich mich nur noch an den Stimmen. Es wäre einfacher, wenn sie nicht aus so vielen Richtungen gleichzeitig schreien würden.
Leider fällt es mir auch zunehmend schwerer, mir das Gesicht meines Mädchens zu vergegenwärtigen. Jenen letzten Eindruck von ihr nach der leidenschaftlichen Abschiedsnacht in ihrem Bett. Die Erinnerung daran beginnt zu bröckeln. Oder auch sie wird vom Sand zugeweht, ich weiß es nicht. Das Foto trage ich natürlich bei mir. Keine Sekunde habe ich es abgelegt, seitdem ich hier im Einsatz bin. Aber ich traue mich nicht, es aus der Innentasche meines Kampfanzugs herauszuholen. Das wäre viel zu anstrengend, außerdem besteht die Gefahr, dass der Sturm es mir aus der Hand reißt und in die Wüste trägt. Dann, das weiß ich genau, bin ich verloren.
So aber hält mich eines noch aufrecht: zu ihr zurückzukehren. Mein Mädchen braucht meinen Schutz. Für ihre Anmut ist die Welt zu grässlich, für ihre Ehrlichkeit zu hintertrieben. Sie wird untergehen, wenn ich nicht zurückkehre. Schon allein ihre falschen Freunde werden dafür sorgen.
Wieder wird mir klar, was für ein unsagbares Glück wir beide teilen. Nur wenigen Menschen ist eine solche Liebe beschieden. Wir sind zwei Teile eines Ganzen, gehören zusammen wie Erde und Mond und können nur zusammen glücklich sein. Sollte ich dies hier überleben – und ich werde es überleben –, dann werde ich den Dienst quittieren. Es macht für mich nicht mehr länger Sinn, Menschen zu schützen, die mir gleichgültig sind, und dabei den einen Menschen zu verlassen, den ich liebe. Wo bleibt da die Logik?
Was war das!?
Ich bleibe stehen und starre durch meine Schutzbrille nach vorn. Der Sandsturm hat nachgelassen, in einiger Entfernung kann ich den Schemen eines Bergzugs erkennen. Oder ist es die Stadt? Ehrlich gesagt weiß ich es nicht genau. Aber bei dem Geräusch bin ich mir sicher. Stunde um Stunde haben meine Ohren nichts anderes wahrgenommen als die Laute der Natur hier draußen, deshalb ist ihnen das nicht dazugehörende Geräusch sofort aufgefallen.
Ein Fahrzeug.
Kein Panzer. Eher ein LKW. Natürlich kann ich nicht sagen, zu welcher Seite er gehört.
Ich drehe mich im Kreis, suche ein Versteck. Doch hier ist nichts. Nur flacher, verdörrter Boden und ein paar Dornenbüsche, die nicht einmal Schatten werfen.
Also bleibt mir nichts anderes übrig, als auf den dunklen Schemen dort vorn zuzulaufen, den ich als Höhenzug ansehe. Ich kann das Risiko nicht eingehen, von einer Patrouille der Aufständischen entdeckt zu werden. Solange ich nicht weiß, welcher Art dieses Motorengeräusch ist, muss ich mich verstecken oder flüchten. Ganz sicher sind die Taliban auf der Suche nach
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