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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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dir.«
    Der Mann hob eine Rosenschere an, sodass Bernd sie sehen konnte. Er kannte sie. Es lag noch nicht allzu lange zurück, da hatte er mit der Schere die jungen Triebe eines Baumes vor dem Haus beschnitten.
    »Ich werde dir einen Finger nach dem anderen abschneiden«, sagte der Mann. »Bis keiner mehr da ist. Und dann mache ich mit deinen Zehen weiter. Ich kenne mich aus mit diesen Dingen, musst du wissen. Ich füge dir immer nur so viel Schmerz zu, dass du am Leben bleibst. Das wird eine schwere Zeit für dich. Also … Letzte Chance, Junge. Sag mir, wo ich den Mistkerl finde.«
    Bernd war noch immer viel zu benommen, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Er verstand nicht alles, was der Mann zu ihm sagte, aber dass er seine Freunde verraten sollte, das verstand er. Und trotz allem, was Ricky ihm und der Clique angetan hatte, war er dazu nicht bereit. Der Mann würde ihn sowieso töten . Alles, was ihm blieb, war, mit einem bisschen Ehre und Würde zu sterben.
    Bernd schüttelte den Kopf.
    Der Mann nahm Bernds unverletzte linke Hand vom Boden hoch und strich fast zärtlich darüber.
    »Die Fingerchen sind immer an vorderster Front, immer als Erste im Einsatz, und doch laufen in ihnen so viele Nerven zusammen wie sonst nirgendwo im Körper.«
    Er kniff in die Kuppe des Zeigefingers. »Hier vorn sind wir besonders sensibel. Ist eigentlich eine vernünftige Einrichtung der Natur. So eine Art Warnsystem. Man kann es aber auch missbrauchen.«
    Dann setzte er die Rosenschere an und schnitt den kleinen Finger ab.
    Der Schmerz war grausam genug, um Bernd aus seiner Benommenheit zu reißen.
    Der Mann hielt weiterhin seine Hand fest.
    »Na, was meinst du, Jungchen. Willst du mir nicht doch sagen, wo ich deinen Freund finde? Da sind noch neun weitere Finger, und bei den Zehen ist es auch sehr effektiv.«
    Bernd erkannte, wie unwichtig Ehre und Würde waren. Er schrie dem Mann Rickys Adresse entgegen.
    Der sah ihn stoisch an, so als suche er nach der Lüge.
    »Okay, ich glaube dir. Aber damit bist du ein Verräter. Und Verrätern wird die Zunge herausgeschnitten.«
    Eine Hand drängte sich zwischen seine Kiefer, drückte sie weit auseinander. Finger tasteten in seinem Mund nach der Zunge, packten sie und rissen sie weit nach vorn.
    Das Letzte, was Bernd Lindeke in seinem Leben sah, war ein Messer aus der Schublade in seiner Küche.
    Der Eurocopter BK 117 »Christoph Murnau« überflog die Bergstation der Alpspitzseilbahn und näherte sich über den Osterfelderkopf der Höllentalklamm. Der Pilot bekam seine Anweisung vom Bereitschaftsleiter Anton Schäffler über Funk aus dem Tal. Die Anflugroute sollte es den Bergrettern ermöglichen, die Spuren des abgestürzten Snowboarders im noch frischen Schnee aus der Luft zu finden.
    Roman Jäger hatte sich bereits in das Stehhaltegurtsystem eingesichert, das ihm ein sicheres Arbeiten auf der Kufe ermöglichte. Noch befand er sich im Inneren der BK 117, doch die Seitentür war geöffnet, eisige Luft strömte in die Kabine, der Lärm der Turbinen und Rotorblätter drang durch die Helme.
    Mit ihm befand sich Matthias Rieger im Hubschrauber. Vier weitere Bergwacht-Retter stiegen zu Fuß die Höllentalklamm auf. Mit großer Wahrscheinlichkeit fiel ihnen die unangenehme Aufgabe zu, erneut eine Leiche aus dem Hammersbach zu bergen.
    Roman starrte aus der geöffneten Tür auf die unter ihm dahinrasende verschneite Landschaft. Als sie über die steil abfallenden Hänge der Klamm hinwegflogen, konnte Roman die sich immer wieder überschneidenden Spuren der Snowboarder gut erkennen. Sie führten von der gesicherten Piste direkt ins Unglück.
    Dummheit und Leichtsinn , schoss es Roman durch den Kopf. Er selbst setzte auch sein Leben aufs Spiel, wenn er Berge bestieg, aber er versuchte stets, jedes Risiko zu minimieren und die Gefahrenlage zumindest zu kennen, um sie einschätzen zu können. Die beiden da unten hatten jede Vorsicht sträflich vernachlässigt, zudem kannten sie sich hier offensichtlich nicht aus, und es schien ihnen auch egal gewesen zu sein, worauf sie sich einließen.
    Solche Einsätze waren frustrierend. Die Bergretter wussten schon jetzt, dass es wahrscheinlich einen Toten gab, und sie wussten auch, dass in ein paar Tagen die nächsten Waghalsigen das gleiche Risiko eingehen würden, selbst wenn sie von dem Unfall gehört haben sollten. Dummheit starb eben niemals aus.
    Die Mitglieder der Bergrettung arbeiteten ehrenamtlich, fast alle waren selbstständige Unternehmer,

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