Höllental: Psychothriller
auch die Entwarnung. Sie war im Hotel aufgetaucht. Für mich klang es so, als hätte die Truppe sich während des Aufstiegs zerstritten und getrennt.«
»Wer hat sie vermisst gemeldet? Hast du einen Namen?«, fragte Roman.
»Eine Mara Landau.«
Die Villa der Waiders lag in einem ruhigen Wohngebiet am Rande der Stadt. Hier reihten sich teure Immobilien aneinander, hier waren die Reichen unter sich. Als Laura noch bei ihren Eltern wohnte, hatte Mara sie oft besucht. Dabei war sie stets hin-und hergerissen gewesen von ihren Gefühlen. Einerseits zog sie die geheimnisvolle, mondäne Welt der Reichen an, andererseits fand sie es ungerecht, wie sehr Geld Menschen voneinander unterschied und letztlich sogar trennte. Erst als sie erkannt hatte, dass Lauras Eltern im Wesentlichen auch nicht anders waren als andere Eltern, hatte Mara sich daran gewöhnt. Doch heute, nachdem sie lange Zeit nicht mehr hier gewesen war, machten sich die alten Gefühle wieder bemerkbar.
Dies war nicht ihre Welt.
Sie wäre gern umgekehrt. Was vor ihr lag, erschien ihr wie die schwerste Aufgabe ihres Lebens. Wenn sie das schaffte, konnte sie jeden Berg der Welt besteigen.
Schon von weitem sah Mara, dass etwas nicht stimmte. Einige Leute standen auf dem Bürgersteig vor dem Grundstück der Waiders. Zwischen ihnen lief ein Kamerateam des Regionalsenders herum.
Mara parkte ihren Wagen ein Stück weit entfernt, stieg aus und ging hinüber.
Durch eine Lücke in den Rhododendren konnte sie die Auffahrt und den Eingang der Villa überblicken. Vor dem Haus stand ein eleganter schwarzer Leichenwagen.
Wie zu Stein erstarrt blieb Mara stehen. Einige Atemz üge lang war sie unfähig, sich zu bewegen.
Vor dem Tor positionierte sich gerade eine Journalistin. Das Kamerateam machte sich bereit, gab der blonden Frau ein Zeichen, sie räusperte sich und legte los.
»Wie wir soeben erfahren haben, verstarb heute in den frühen Morgenstunden der bekannte Augsburger Unternehmer Friedhelm Waider. Innerhalb von nur vierzig Jahren gelang es Waider, ein auf dem europäischen Markt führendes Unternehmen im Bereich der Mikroelektronik zu erschaffen. Bekannt ist das Unternehmen auch für seine weltweit nachgefragten Prothesen, die teilweise von Prozessoren gesteuert werden. Wie gerade erst bekannt wurde, verstarb vor drei Tagen die zweiundzwanzigjährige Tochter der Familie, Laura Waider, bei einem tragischen Unfall in den Alpen. Ob die beiden Todesfälle miteinander in Verbindung stehen, konnten wir noch nicht in Erfahrung bringen. Bekannte der Familie berichten, Friedhelm Waider habe schon seit langem unter Herzproblemen gelitten …«
Mara blendete das Geschwafel der Reporterin aus, drehte sich um und ging zurück zu ihrem Wagen.
Sie dachte an Petra Waider, Lauras Mutter. All der Reichtum und das privilegierte Leben hatten die Familie nicht schützen können. Zumindest nicht vor der Grausamkeit des Schicksals. Die arme Frau war jetzt allein in der großen Villa. Allein mit ihren Fragen.
Auf Antworten würde sie noch eine Weile warten müssen.
Mara gab ihren Plan auf.
Sie konnte da nicht hingehen. Nicht heute.
Diesmal trafen Roman und Tobias sich wirklich in der Cafeteria des Krankenhauses, und Roman wurde von seinem Freund nicht zu einer Untersuchung gezwungen. Die Frage nach dem Zustand seines Arms konnte Tobias sich allerdings nicht verkneifen.
»Alles in Ordnung«, sagte Roman wahrheitsgemäß. An seinen leicht verletzten Arm hatte er die vergangenen zwei Tage überhaupt nicht gedacht.
»Und wie war die Beerdigung?«, wollte Tobias wissen.
Sie standen in einer kurzen Schlange am SB-Tresen. Jeder hatte einen Becher Kaffee in der Hand.
»Deswegen wollte ich dich unbedingt sprechen«, sagte Roman. »Das war ziemlich verwirrend.«
Er rückte bis an die Kasse vor, kramte Kleingeld aus der Hosentasche und bezahlte für beide.
Sie suchten sich einen Platz am Fenster, an dem sie relativ ungestört waren. Bevor sie sich setzten, nahmen sie gleichzeitig ihre Alarmpieper vom Gürtel und legten sie auf dem Tisch ab. Sowohl Tobias als auch Roman waren in Bereitschaft. Romans Dienst dauerte noch bis morgen, fünfzehn Uhr. Allerdings rechnete er heute nicht mehr mit einem Notfall, da es bald dunkel werden würde. Vor fünf Minuten hatte er erfahren, dass das Bergungsteam, das zu Fuß in die Klamm gestiegen war, den Körper des toten Snowboarders am oberen Ende gefunden hatte. Roman war froh, diesmal nicht an der Leichenbergung beteiligt gewesen zu sein. Auch
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