Höllental: Psychothriller
nur noch sehr selten jemand an.
»Jäger«, meldete er sich.
»Leitenbacher hier.«
Jetzt war seine Verwunderung sogar noch größer. Was hatte das zu bedeuten?
»Herr Leitenbacher … Was für eine Überraschung.«
»Je später der Abend, desto blöder die Gäste, oder wie?«
»Das haben Sie gesagt.«
»Ich dachte mir, Sie sind eventuell an Neuigkeiten interessiert.«
»Sicher bin ich das. Haben Sie denn heute noch etwas herausgefunden?«
»Sonst würde ich nicht anrufen.«
Roman schluckte den Kommentar zum geregelten Feierabend eines Beamten hinunter. Er wollte die zarten Bande, die gerade zwischen ihm und Leitenbacher entstanden, nicht gleich wieder kappen. Er freute sich darüber, das Interesse des alten Griesgrams geweckt zu haben. Wie gut, dass er auf Tobias gehört hatte.
»Was gibt es denn?«, fragte Roman.
»Vorweg: Alles, was Sie erzählt haben, entspricht den Tatsachen, das habe ich überprüft. Darüber hinaus hat Laura Waider am 10.08. dieses Jahres in Augsburg eine Vergewaltigung zur Anzeige gebracht.«
»Also hat sie es doch angezeigt, was in der Klamm passiert ist. Nur mit Verspätung«, sagte Roman.
»Nein, Sie verstehen nicht. Sie wurde in Augsburg in ihrer Wohnung vergewaltigt. Dafür gibt es Beweise.«
»Was?!«, stieß Roman aus. »In ihrer Wohnung?«
»Ich nuschle doch nicht etwa, oder? Mich wundert ein wenig, dass in dem Freundeskreis des Mädchens niemand darüber Bescheid zu wissen scheint. Immerhin hat ihr Freund Richard Schröder sie zur Polizei begleitet. Laut seiner Aussage hat er sie auch in der Wohnung, zu der er einen Schlüssel hatte, gefunden. Diese Mara Landau, hat sie Ihnen gegenüber nichts davon erwähnt?«
»Nein, hat sie nicht. Ich bin mir sicher, wenn Frau Landau davon wüsste, dann hätte sie etwas gesagt.«
Was das anging, war sich Roman wirklich sicher. Mara hatte ihn nicht belogen und ihm auch nichts vorenthalten. Das bedeutete, Richard Schröder hatte seinen Freunden nichts gesagt. Und es bedeutete weiter, dass Laura den Kontakt doch nicht zu allen Mitgliedern der Clique abgebrochen hatte. Laura und Richard … Was für ein Spiel hatten die beiden gespielt?
»Na schön …«, sagte Leitenbacher und räusperte sich. »Eine Sache noch, bevor ich schlafen gehe. Ich habe mit Frau Waider telefoniert. Sie weiß nichts von einem Privatdetektiv, der im Falle ihrer Tochter ermittelt.«
Roman hätte sich auf die Zunge beißen können. So ein Mist. Jetzt hatte die arme Frau auch noch über Dritte erfahren, was ihr Mann vor ihr hatte geheim halten wollen.
»Herr Waider hat vor der Beerdigung mit mir darüber gesprochen. Er hat mich gebeten, seiner Frau gegenüber nichts zu erwähnen. Er wollte sie wohl nicht beunruhigen. Sie weiß also wirklich nichts davon.«
»Gut. Und was den Namen des Schnüfflers angeht, da sind Sie sich sicher. Torben Sand?«
»Absolut. Warum?«
»Weil ich keinen zugelassenen Privatdetektiv mit diesem Namen finden kann.«
Mara Landau hielt den Umschlag in ihren Händen und starrte ihn an.
»Wollen Sie den Brief nicht lesen?«, fragte Torben Sand. Er hatte den Rahmen mit Kandinskys Bild wieder an die Wand gehängt.
Mara wusste nicht, ob sie ihn lesen wollte. Laura hatte ihr sehr nahegestanden, und Mara wünschte sich, dass dieser Brief an sie gerichtet war und erklärende Abschiedsworte enthielt. Gleichzeitig fürchtete sie sich aber auch davor, dass es ganz anders sein könnte. Fürchtete sich vor Vorwürfen und Anschuldigungen, die posthum auch noch den Rest ihrer Freundschaft zerstören würden.
»Dann lassen Sie mich«, sagte Sand und streckte seine Hand aus.
Mara entdeckte lange rote Narben auf der Handinnenfläche.
»Nein, ich mach das schon.«
Von außen war der Umschlag nicht beschriftet. Mara schob den Daumen unter die nicht zugeklebte Lasche und öffnete sie.
Ihr ganzer Körper war angespannt. Sie spürte, dass eine bedeutsame Veränderung bevorstand. Laura hätte sich nicht die Mühe gemacht, diesen Brief derart zu verstecken, wenn der Inhalt nicht wichtig wäre. Vor allem aber war es ihr wohl wichtig gewesen, dass nur Mara ihn las. Sonst hätte sie die SMS nicht geschrieben.
Sie zog ein einziges Blatt Briefpapier heraus und faltete es auseinander.
Darauf standen nur wenige Worte. Geschrieben in Lauras schöner geschwungener Handschrift.
Mara las.
Dann ließ sie die Hand mit dem Brief sinken und starrte Torben Sand an.
Dessen Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
»Was ist? Was steht drin?«, fragte er.
Als Mara
Weitere Kostenlose Bücher