Höllental: Psychothriller
macht Sie so sicher?«
»Er … er hat Laura geliebt, heimlich, aber es war kaum zu übersehen. Ich konnte seine Gefühle damals gut nachvollziehen. Es muss beschissen für ihn gewesen sein mit anzuse hen, wie die beiden vor allen anderen rummachten.«
»Hmm«, machte Torben Sand, trat zurück und ließ Mara aus dem Schrank herauskommen.
»Zurückgewiesene Liebhaber können mitunter gefährlich werden«, sagte er. »Aus Liebe werden die furchtbarsten Verbrechen begangen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Mara. Dabei ahnte sie die Antwort aber schon. Gerade war ihr ein ganz ähnliche r Gedanke durch den Kopf gegangen.
»Lassen Sie uns rübergehen«, sagte Torben Sand und ging voran.
Sobald sie das Wohnzimmer betraten, fiel es Mara wie Schuppen von den Augen.
Das Bild!
Sie lief ins Schlafzimmer zurück. An der weißen Wand über dem Bett zeichnete sich ein leichter dunkler Umriss ab, den man nur sah, wenn man wusste, worauf man achten musste.
Sand tauchte hinter ihr auf.
»Was ist los?«
»Das Bild.« Mara zeigte auf den Schatten. »Es hing immer über ihrem Bett.«
»Und jetzt?«
Mara lief ins Wohnzimmer.
»Da.«
Sie zeigte auf die große gerahmte Kopie eines Bildes von Wassily Kandinsky über dem Sideboard. Es bestand aus geometrischen Formen, hauptsächlich Dreiecken, die der Betrachter als Berge interpretieren konnte. Kandinsky hatte von 1908 bis 1914 in Murnau in Oberbayern gelebt und dort zur abstrakten Malerei gefunden. Mara selbst hatte keinen Zugang zu dieser Art Kunst, fand aber den Bezug zum Bergsteigen sehr passend. Sie war dabei gewesen, als Laura das Bild gekauft hatte, und wusste nur durch die Erklärung ihrer Freundin etwas über den Künstler. An jenem Nachmittag war Laura überaus glücklich gewesen, das wusste Mara noch. Sie hatte gerade die Entscheidung getroffen, das ungeliebte Wirtschaftsstudium hinzuschmeißen und sich für Kunst einzuschreiben – gegen den Willen ihres Vaters –, und dieses Bild sollte den sichtbaren Ausdruck dafür darstellen.
»Hinauf!«, sagte sie, »die SMS !«
Torben Sand starrte das Bild an, verstand aber nichts. Das konnte er auch gar nicht. Er hätte hundert Jahre in Lauras Wohnung suchen können, ohne die Zusammenhänge herzustellen.
Sie erzählte dem Detektiv von der SMS , die sie am Abend erhalten hatte, als Laura starb.
»Dieses Bild von Kandinsky trägt den Titel ›Hinauf‹.« Mara schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?«
Sand sagte zunächst nichts. Dann ging er zu dem Sideboard hinüber, packte den großen Rahmen an den Seiten, hob ihn von der Wand und hielt Mara die Rückseite entgegen.
Dort war mit einem Klebestreifen ein weißer Umschlag befestigt.
Teil 5
Sein wahres Gesicht
D er Wind hatte in den letzten Stunden zugenommen. Er fiel aus den Bergen ins Tal hinab und brachte Schnee und Kälte mit. In solchen Nächten zog es im ganzen Haus. Zwar waren die Fenster und Türen erneuert worden, aber der Wind suchte sich seinen Weg durchs Dach und kroch am Fußboden entlang. Manchmal war es, als würde man von einer eiskalten Hand am Fußgelenk berührt.
Roman warf ein paar Holzscheite in den Kachelofen. Heute Nacht würde er dafür sorgen, dass der Ofen nicht ausging. Nach Schlaf war ihm ohnehin noch nicht. Vorhin war er hundemüde gewesen, aber das war jetzt verflogen. Er fieberte Maras Anruf entgegen. Was hatte Torben Sand herausgefunden? Was war in Laura Waiders Wohnung versteckt?
Roman schloss die schwere gusseiserne Tür des Ofens und warf einen Blick auf die Wanduhr. Eine Stunde war seit dem Anruf vergangen. Um sich abzulenken, öffnete er auf seinem Laptop den Browser und checkte sein E-Mail-Konto. Es war nichts Nennenswertes dabei, nur Werbung. Bis auf die Einladung von Greg. Er war Amerikaner, war bei der Armee gewesen, lebte jetzt hier im Ort und plante eine Besteigung des K2 im Himalaya. Er suchte noch Mitglieder für sein Team und hatte Roman schon ein paarmal gefragt. Im Prinzip war Roman schon interessiert, aber er wusste nicht, ob er Greg vertrauen konnte. Ein ehemaliger Elitesoldat zu sein machte einen nicht automatisch zu einem guten Bergsteiger. Bei einer solchen Tour legte man sein Leben in die Hände seiner Kameraden. Da war es wichtig, nicht auf den Falschen zu setzen.
Roman wollte die Mail gerade beantworten, da klingelte sein Telefon. Nicht das Handy, sondern sein Festnetzanschluss. Verwundert hob er die Augenbrauen. Auf der Nummer rief ihn
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