Höllental: Psychothriller
was!
Mittig auf dem Sideboard stand ein schwarz glänzender Aschenbecher aus Granit. Ein schweres Designerstück, mehr zum Angucken als zum Benutzen.
Ricky griff danach.
Er lag gut in der Hand und hatte Ecken – gefährliche Ecken.
Hinter sich hörte er ein Schaben und Kratzen. Der Fremde zog sich am Sessel hoch. Ricky wirbelte herum. In diesem Moment waren nicht nur der Ascher, sondern sein ganzer Körper eine Waffe. Von den Füßen bis zu den Schultern war alles in Bewegung. Wie ein Boxer holte er den Schwung aus der Hüfte, übertrug ihn durch die Drehung auf den ausgestreckten Arm mit dem Ascher darin und schlug blindlings zu. Glück kam ihm zu Hilfe. Der Fremde streckte seinen Schädel im richtigen Moment vor. Der Ascher traf ihn an der Schläfe.
Haut platzte auf, Blut schoss hervor.
Der große Mann erstarrte in der Bewegung, verdrehte die Augen und ging mit einem Seufzer zu Boden. Zwischen Sessel und Tisch blieb er quer über Maras Beinen liegen.
Schwer atmend stand Ricky mit dem Ascher in der Hand da und starrte auf den reglosen Körper hinunter. Wartete auf eine Bewegung, auf ein erneutes Angriffszeichen. In der Stille hörte er nacheinander zwei Handys klingeln. Eines in der Jacke des Fremden, das andere irgendwo in der Wohnung.
Nachdem er minutenlang in Angriffsstellung verharrt hatte, ließ Ricky endlich den rechten Arm sinken, öffnete die Finger, und der Aschenbecher plumpste auf den Teppichboden.
Die eben noch hochexplosive Panik flaute ab und ließ wieder Gedanken zu. Der an Flucht stand im Vordergrund so wie vorhin, als er im Schlafzimmer unter dem Bett liegend an nichts anderes gedacht hatte. Das Geschrei und die Geräusche aus dem Wohnzimmer waren eindeutig gewesen. Ricky hatte gewusst, dass Mara in großer Gefahr war, und trotzdem hatte er sich nur gefragt, wie er schnell und ungesehen zur Ausgangstür gelangen konnte. In dieser Sekunde hatte Ricky seine Entscheidung bitter bereut, noch in dieser Nacht Lauras Wohnung zu durchsuchen.
Er hatte so lange in der Betonröhre gelegen, bis er sicher war, dass ihm keine Gefahr mehr drohte. Während dieser elendig langen Wartezeit hatte er nachgedacht. Ihm war klar geworden, dass er, wenn er eine Chance haben wollte, aus dieser Sache heil herauszukommen, noch in dieser Nacht in Lauras Wohnung musste. Den Schlüssel dazu hatte er noch. Gott sei Dank hatte der Fremde seinen Wagen nicht angerührt. Ricky war zurück in die Stadt gefahren und hatte lange heiß geduscht. Obwohl er danach total geschafft gewesen war und am liebsten ins Bett gegangen wäre, hatte er sich zusammengerissen. Es ging nicht anders. Er hatte keine Wahl. Er musste wissen, ob es in Lauras Wohnung Beweise gab, die ihn in Teufels Küche bringen würden.
Genau da war er jetzt gelandet.
Dabei war er schon an der Tür gewesen. Nachdem die beiden das Schlafzimmer verlassen hatten, war er unter dem Bett hervorgekrochen, hatte die Dinge aus Lauras Schrank an sich genommen und war hinaus auf den Flur geschlichen. Plötzlich war im Wohnzimmer der Kampf ausgebrochen, und Ricky hatte nur noch daran gedacht abzuhauen. Doch dann war er mit der Hand auf der Türklinke erstarrt.
Maras hilfloses, verzweifeltes Keuchen … Schon wieder eine Tote … Nein, das konnte er nicht zulassen … Irgendwann musste das doch aufhören, all diese Gewalt …
Ein Geräusch schreckte ihn auf.
Mara.
»Laura«, brachte sie würgend hervor.
Ricky ging neben ihr auf die Knie. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff, wen sie wirklich vor sich hatte und dass sie noch lebte. An ihrem Hals zeichneten sich dunkelrote Würgemale ab.
Er half ihr in eine sitzende Position, zog ihre Beine unter dem Körper des Mannes hervor und sie selbst fort aus seiner unmittelbaren Nähe. An die Wand gelehnt keuchte, würgte und spuckte sie, während Ricky sie festhielt.
»Wo … woher … kommst …«
Ihre Stimme war nicht mehr als ein leises Krächzen, das er kaum verstehen konnte.
»Ist egal jetzt«, sagte Ricky. »Wir müssen verschwinden.«
»Ist … tot?«, fragte Mara mit einem ängstlichen Blick zu dem bewegungslosen Körper hinüber, von dem sie nur die Beine und den Bauch sehen konnte. Den Rest verbarg der große Sessel.
»Ich weiß nicht.«
»Polizei …«, brachte Mara mühsam hervor.
»Nein! Auf keinen Fall Polizei. Das geht nicht. Ich erkläre es dir später, aber jetzt lass uns verschwinden.« Er wollte sie von der Wand wegziehen.
»Der … der Brief«, brachte Mara hervor und zeigte auf Torben Sand.
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