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Hoellentrip

Hoellentrip

Titel: Hoellentrip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Hier war eine Hochzeit, ging bis zum frühen Morgen. Wir hatten ausnahmsweise am Samstag und am letzten Sonntag geschlossen, wir haben nur jeden zweiten Sonntag geöffnet, heute zum Beispiel.“ Alan Hall schluckte. „Wissen Sie, ich bin ziemlich schockiert ...“ Er strich die Strähne zurück.
    „Das ist verständlich , Mister Hall.“ Tamaras Stimme klang mitfühlend. „Sie können uns helfen, ihren Tod aufzuklären.“
    „Mister Hall“, schaltete sich Shane, ungeduldig geworden, ein, „wenn ich Sie r ichtig verstanden habe, bleibt I hre Angestellte Mrs. Stavarakis eine Woche lang unentschuldigt ihrer Arbeit fern und Sie fragen sich nicht mal, was passiert sein könnte?“ Er war lauter geworden, denn er sah keinen Anlass, Hall mit Samthandschuhen anzufassen. Vielleicht wollte er auch einfach seinen eigenen Unmut an diesem Mann auslassen. „Ist das nicht ein merkwürdiges Verhalten? “
    Alan Hall lockerte den Knoten seiner Krawatte.
    „Ich glaube“ , redete Shane weiter, „Ihnen scheint nicht klar zu sein , dass S ie sich mit Ihrem Verhalten und Schweigen belasten?“
    Halls Blick ging irgendwohin.
    „Wo waren Sie am vergangenen Wochenende?“, fragte Shane weiter .
    Hall betrachtete seine feingliedrigen, gepflegten Hände.
    „Mister Hall?“
    Doch er reagierte nicht.
    „Mister Hall?“, fragte Tamara und neigte sich zu ihm, da blickte er auf. „Wo waren Sie am vergangenen Wochenende?“
    Hall starrte sie an.
    „Ich? Wo?“ Er sah auf seine Hände und dann wieder zu ihr und sagte: „Hier. Hier, zu Hause.“
    Shane schrieb die Nummer der Polizeistation auf seine Visitenkarte und legte sie auf den Tisch.
    „Das werden wir natürlich überprüfen, Mister Hall.“

    Kleine weiße Wolken hatten sich an den blauen Himmel geklebt und eine leichte Brise begann sich von Osten her zu regen.
    „Ich möchte wissen, warum dieses Arschloch nicht zur Polizei gegangen ist.“ Shane war wütend und frustriert .
    „ Er wird wohl seine Gründe haben .“ Tamara öffnete ihre Handtasche und zog ihren Lippenstift hervor.

10

    Eine Wasserspülung lief. Gedämpft drangen durch die geschlossene Tür die Geräusche des Krankenhausbetriebs, der am Sonntag, etwas ruhiger verlief als gewöhnlich. Joanna O’Reilly hätte heute frei gehabt, aber es hielt sie nichts zu Hause. Marc traf sich mit Freunden zum Rugby-Spielen. Er würde erst am späten Nachmittag heimkommen, und wahrscheinlich nur noch zum Fernsehen in der Lage. Sie hatte das alles so satt.
    Jetzt saß sie bei dem Jungen, hatte Farben, Pinsel und Papier vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet. Noch immer wusste sie nichts Näheres über ihn als dass er mitten auf dem Highway gestanden hatte und beinahe von einem Viehtransporter überfahren worden wäre. Immer wieder musste sie sich ermahnen, ihn nicht zu bedränge n. Der Junge hatte Teile seines Gedächtnisses gelöscht. Er brauchte Zeit – und Vertrauen.
    „Ich fahre gerne Auto“, sagte sie auf einmal. Die Augen des Jungen blickten sie für einen Moment wirklich an. Er erinnerte sie an die Kindergesichter auf alten Fotos, die die Ankunft osteuropäischer Emigranten in Australien zeigten. Kinderaugen, di e schon zu viel gesehen hatten.
    Sie zwang sich zur Entspannung, lehnte sich zurück, streckte die Beine aus. Nicht sie, der Junge entschied, wann er aus seinem inneren Gefängnis ausbrechen würde . Woran konnte er sich überhaupt erinnern? An den Truck? Oder gehörte das auch zu den gelöschten Ereignissen? Und dann, ganz plötzlich geschah etwas mit ihr: Sie spürte ein Ziehen im Bauch , z ugleich bemerkte sie bei dem Jungen ein leichtes Zittern der Hände. Seine Gesichtsmuskulatur spannte sich, die Mundpartie zuckte, er blinzelte, begann auf dem Stuhl herumzurutschen. Angst hat dann Macht über den Menschen, wenn er ihr nicht ins Auge schaut. Der Junge musste es schaffen, das Grauen anzusehen, um sich aus dessen Fängen zu befreien. Seine Seele musste so laut schreien, dass er nicht mehr wegsehen sondern hinsehen müsste. Noch immer sagte Joanna nichts. In ihrem eigenen Körper spürte sie die Schmerzen des anderen Körpers. Es bedeutete für sie , dass sie in Kontakt zu dem anderen Menschen trat, dass ihre Energien miteinander schwangen. Auch der Junge musste so etwas gespürt haben. Immer wieder sah er zu ihr, zu den Farben, dem Pinsel - dann drehte er sich zum Fenster.
    Hab Geduld, sagte sie sich und wartete schweigend. Das Tropfen des Wasserhahns wirkte allmählich beruhigend. Vom Flur drang ein leichter

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