Hoellentrip
»Jetzt denk doch mal nach – die könnte uns retten! «
»Ach ja?« Mark klingt äußerst ungläubig. »Wie soll das gehen?«
»Ganz einfach, du Trottel. Wir schieben eine Nachricht rein.«
Wir brechen in Lachen aus, doch ich bekomme sofort ein schlechtes Gewissen. Mark und Carrie könnten, aber ich sollte es besser wissen. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, den armen Ernie aufzuziehen.
»Tut mir leid, Schatz, ich weiß, du versuchst nur zu helfen«, tröste ich ihn. »Wir sollten nicht über Ernie lachen. Wir sind alle Idioten.«
»Lacht ruhig weiter. Später werdet ihr mir dankbar sein.«
Mark lässt nicht locker. »Ja, selbstverständlich. Dann sag doch mal, klein Einstein, worauf du deine Nachricht schreiben willst.«
Ganz kurz wirkt Ernie durch die Frage wie vor den Kopf gestoßen. Ich allerdings auch. »Ich schreibe sie auf ein Stück von meinem T-Shirt«, erklärt er und spannt den Saum an. »Ich reiße ein Stück ab und schreibe darauf.«
Mark nickt, nur um das Spiel noch etwas weiterzutreiben. »Gut, und womit willst du schreiben? Ich würde dir ja gerne aushelfen, aber mir sind gerade die Kugelschreiber ausgegangen.«
Doch Ernie ist uns schon ein Stück voraus.
»Ich habe vorhin rote Beeren an einem Strauch gesehen. Ich zerdrücke sie und mache Tinte.« Er schneidet seinem Bruder eine Grimasse, die irgendwie gut aussieht.
»Lass mich raten – das hast du auch in einem Film in der Schule gesehen.«
»Lacht ruhig. Ich werde zuletzt lachen.«
Mark geht zu Ernie und legt einen Arm um dessen Schulter. »Kumpel, falls du es vergessen hast: Wir sind vier Tage
auf dem Meer getrieben, ohne ein Boot zu sehen. Es könnte Monate, wenn nicht Jahre dauern, bevor die Flasche irgendwo anders an Land gespült wird. Wer soll sie also in der Zwischenzeit finden? Der Wassermann?«
Carrie beginnt wieder zu lachen.
»Gut, das reicht«, schreite ich ein. »Wenn Ernie das tun will, lasst ihn. In der Zwischenzeit müssen wir so etwas wie ein Lager errichten.«
»Ja«, stimmt Carrie zu. »Die Herberge zum fröhlichen Schiffbruch!«
68
Andrew Tatem trat mit sauberer, adretter, weißer Küstenwachenuniform zu dem deprimierenden Strauß an Mikrofonen auf dem Parkplatz vor seiner Behörde. Dahinter stand die Presse. Ihre Kameras mochten ihn bereits. Er war achtunddreißig Jahre alt, eins fünfundachtzig groß und von der Sonne Floridas herrlich gebräunt. Sein strahlendes Lächeln mit den schneeweißen Zähnen wollte er an diesem Tag niemandem zeigen.
Der Medienrummel war genauso über ihn hereingestürzt, wie er ihn erwartet hatte. Die Straße direkt vor dem Zufahrtstor sah aus wie eine Satellitenschüsseldemonstration. Die Reporter mit ihrem unter der Hitze kaum Halt findenden Schminkkleister im Gesicht standen vor den Kameras und gaben der Welt den neuesten Stand zum mysteriösen Fall der vermissten Familie Dunne bekannt.
Doch die Meute wurde unruhig.
Einen gesamten Nachrichtenzyklus lang, was für diese Medienleute eine Ewigkeit bedeutete, hatten sie nichts Neues erfahren. Tatem wusste natürlich, warum. Weil es nichts Neues gab.
Nichtsdestotrotz wusste Tatem auch, dass er sie ihre Arbeit tun lassen musste. Reporter waren ein launisches Völkchen, und er wollte auf jeden Fall vermeiden, ihren Zorn auf sich zu ziehen.
Deswegen die Pressekonferenz.
Langsam, ruhig und methodisch verkündete Tatem seine vorbereitete Erklärung: Die Suche geht weiter … es werden
keine Mühen gescheut … das Meer dort draußen ist riesig … die Küstenwache bleibt zuversichtlich … ich bleibe zuversichtlich …
Dies stimmte alles, nur war nichts davon neu.
Deswegen nahm Tatem am Ende all seine Kräfte zusammen, holte tief Luft und machte ein schlichtes Angebot: »Ich werde jetzt Ihre Fragen beantworten.«
Ein lauter Tumult brach los, als die Reporter sich gegenseitig überschrien.
»Ab welchem Zeitpunkt werden Sie die Suche aufgeben? «
»Können Sie bestätigen, dass die Familie Dunne ein Mayday-Signal abgesetzt hat, bevor sie verschwand?«
»Warum wurde die Marine noch nicht eingeschaltet?
Tatem hatte bereits einige Pressekonferenzen gegeben, doch eine wie diese hier hatte er noch nicht erlebt, weder was den Umfang noch was die Heftigkeit betraf.
Einer, der seitlich stand, ein hagerer Reporter von der Daily Miami, war besonders unnachgiebig. Florida war sein Revier, und das sollte sich auch jeder merken.
»Wie haben Sie auf das Gerücht reagiert, dass Sie als Leiter dieser Suchaktion ersetzt werden
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