Hoellentrip
geheimnisvolle Weise verschwinden?«
»Wo ist das Rätsel? Ihr Boot geriet in einen Sturm, es gab einen Brand an Bord – das ist wirklich traurig, eine Tragödie, aber kein Rätsel.«
In dem Moment blickte Ellen über McIntyres Schulter hinweg zum Fernseher auf dem Schreibtisch. Ein Reporter stand irgendwo in der Sonne auf einem Anlegeplatz vor einem riesigen Fisch, der am Schwanz aufgehängt war.
Er sprach, aber der Ton war kaum zu hören.
»Moment mal!«, rief Ellen. »Machen Sie doch bitte etwas lauter!« Ian wirbelte herum. Er wollte gerade fragen, warum, als er die Schriftzeile auf dem Bildschirm las:
Neueste Meldung – Ist Familie Dunne noch am Leben?
78
Peter saß allein in der ersten Reihe in der Madison Avenue Presbyterian Church, ohne sich seine Freude anmerken zu lassen. Er spürte das Mitgefühl von mehr als fünfhundert Trauergästen hinter sich. Es verursachte ein Prickeln auf seinem Hinterkopf.
Die Trauerfeier war verdammt schön und die Beerdigung bitter nötig.
Wohin man auch blickte, war die Kirche mit langstieligen, roten Rosen geschmückt, Katherines Lieblingsblumen. Peter hatte dies angeregt; es sei eine nette Geste zu Katherines Ehren – und zu Ehren der Blagen.
Den Rest der Planung hatte seine Chefsekretärin Layla – ja, sie hieß wie das Lied von Eric Clapton – übernommen. Als er ihr erklärt hatte, er sei nicht in der Lage, die Trauerfeier zu organisieren, hatte sie Verständnis gezeigt. Klar, bei hundertzwanzigtausend Dollar im Jahr plus Bonus verstand Layla alles, worum er sie bat.
»Lasst uns beten«, forderte der Pfarrer die Gemeinde auf.
Nach einem kurzen Bittgebet ließ sich der Pfarrer über die Zerbrechlichkeit des Lebens und die Unausweichlichkeit von Tragödien aus. Der Typ hatte eine gewisse Bühnenpräsenz und war ein guter Redner. Er wirkte raffiniert, klang aber trotzdem ernst.
Peter fand es schon immer eigenartig, wie viele der potenziell besten Anwälte sich dem geistlichen Stand verschrieben hatten. Immerhin hatten sie ein großes Talent darin, Menschen an Dinge glauben zu lassen, die sie nicht unbedingt beweisen konnten.
»Amen«, schloss der Pfarrer. »Jetzt hören Sie eine Lesung aus …«
Die Liturgie nahm ihren Lauf, doch Peter schaltete sie innerlich aus. Er dachte über die Ansprache nach, die er halten würde.
Das allerletzte Schlussplädoyer.
Er wusste, vor Katherines Freunden, Arztkollegen und Verwandten und den Privatschulspezis und – busenfreundinnen der Gören zu stehen, würde sein glorreicher Moment werden. Er würde stark und stoisch beginnen und dann immer längere Pausen machen, während er gegen seine Tränen ankämpfen und ein paar Familiengeschichten zum Besten geben würde, die er sich ausgedacht hatte.
Schließlich würde er zusammenbrechen, ein heulendes Häufchen Elend. Damit würden sich seine Schnitte und blauen Flecken im Gesicht richtig bezahlt machen. Ein Mitleidsspektakel. Als Peter die Augen schloss, konnte er bereits die Umarmung des Pfarrers spüren, der versuchen würde, ihn an der Kanzel zu trösten. Danach würde er es geschafft haben.
Natürlich hatte er keine Ahnung, was draußen vor den Kirchenmauern passierte. Die neuesten Meldungen mussten erst noch das Kirchenportal durchbrechen. Alle Mobiltelefone innerhalb der Kirche waren ausgeschaltet. Herrgott noch mal, schließlich befand man sich auf einer Trauerfeier!
Später würde Peter auf seinem Telefon drei dringende Mitteilungen von Lieutenant Andrew Tatem von der Küstenwache vorfinden, aber auch zwei von Judith Fox, die versuchte, ihn noch einmal für ihre Sendung zu gewinnen.
Aber das würde erst später passieren.
Jetzt war Zeit für Peters Ansprache. Er konnte es nicht
abwarten, alles hinter sich zu bringen. Die Trauerfeier und ganz besonders seine Familie.
An der Kanzel vor der brechend vollen Kirche stehend, ließ er sich einen Moment Zeit, bevor er begann. An den Rosen zu riechen, würde sich doch gut machen, oder? Er fand es interessant, dass er keine Trauer spürte, weder um Katherine noch um Mark, Carrie oder um Ernie, der als Kind eigentlich gar nicht so schlimm gewesen war.
Plötzlich hörte Peter ein Flüstern hinter sich. Leicht verärgert drehte er sich um. Ein Mann, vielleicht Mitte dreißig in Khakihose und Polohemd, hielt seine hohle Hand an den Mund und flüsterte dem Pfarrer etwas ins Ohr.
Verdammt, was war denn da los?
Der junge Mann war der Organist. Er hätte während des Gottesdienstes auf seinem BlackBerry keine E-Mails
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