Höllische Versuchung
der Kopf hinunter. Dann ging ein Zittern durch den Stumpf, er spaltete sich in der Mitte und statt des einen, sprossen zwei neue Köpfe hervor, die sich sogleich auf Teddy Jo stürzten.
»Eine Hydra! Götter verdammt!« Teddy Jo sprang zur Seite.
Ich konnte das Fleisch förmlich riechen, das dort, gleich unter den Schuppen, wartete. Meine Finger zuckten. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Reißzähne. Ich hieß die Wut in mir willkommen, wärmte mich an ihrem Feuer. Andrea, die Ordensritterin, würde diese Nacht wohl verschlafen müssen. Heute war ich bloß Tiernachfahrin, die Tochter einer Hyäne.
Das Drachenfleisch lockte mich mit seiner Zartheit, es flehte mich an, von ihm zu kosten.
Um mich wurde alles rot. Ich griff an.
Blut. Reißen, schneiden, reißen, reißen, mehr, graben, ins Fleisch graben.
Ein riesiger, pulsierender Beutel schwoll vor mir an. Ich schlitzte ihn auf, lachte, als mich das Blut durchtränkte, schlitzte und schlitzte. Um mich herum tobte ein heißer roter Strudel.
»Das reicht!« Gewaltsam wurde ich gepackt und beiseitegeschleudert. Ich flog durch die Luft, landete auf allen vieren und attackierte sofort. Mein Angreifer brachte mich zu Fall. Alle Luft entwich meinen Lungen und mir wurde schwindelig.
Nach und nach kehrte ich in die Realität zurück. Ich lag auf dem Rücken im Gras, meine Haut war bedeckt von Reptilienblut. Allmählich ebbte meine Wut etwas ab und ich sah Raphael.
»Bist du verletzt?«, fragte ich ihn.
»Nicht weiter dramatisch.«
Der Drachenkadaver lag auf der Seite. An ihm prangten ein Dutzend halb ausgebildeter Köpfe wie die Kelche einer abscheulichen Pflanze. In den Eingeweiden klaffte ein großes Loch. Es sah aus, als hätte sich jemand einen Tunnel durch Drachen-Lynn gegraben. Daneben stand vornübergebeugt und schwer atmend Teddy Jo.
»War ich das?«
Raphael nickte. »Du hast ihr Herz zerfetzt. Das hat sie schließlich getötet.«
»Die Äpfel.« Ich versuchte hochzukommen, doch meine Beine wollten mir nicht gehorchen.
Raphael hob mich auf. »Bist du verletzt?«
»Hab es wohl ein bisschen übertrieben.« Mit einem Mal war ich furchtbar müde. Mein Körper fühlte sich an wie Watte. Ich barg meinen hässlichen Kopf an Raphaels Schulter. Dreckig und scheußlich kam ich mir vor. Mein Magen zog sich zusammen.
Wenn Raphael mich nicht da herausgezerrt hätte, hätte ich wohl bis zum Umfallen weitergemacht.
Langsam dämmerte es mir: Wir hatten es geschafft.
»Ich kümmer mich um die Äpfel, bring du deine Lady nach Hause.«
Raphael sah ihn an. »Toller Kampf«, sagte er.
»Ja«, antwortete Teddy Jo. »Wir haben uns gut geschlagen. Ich wohn unten in Warren, komm doch mal auf ein Bier vorbei.«
Raphael trug mich davon.
»Vergiss den Jungen nicht«, flüsterte ich.
»Das tue ich nicht. Wir holen den Jungen und bringen ihn erst mal zu meiner Mutter. Dann kommst du mit zu mir. Ich habe eine riesige Wanne, da machen wir uns hübsch sauber, kriechen ins Bett und schlafen bis mittags. Hast du Lust darauf?«
»Und wie«, sagte ich und leckte ihm über den Hals. »Raphael … «
»Ja?«
»Ich habe sie alle umgebracht. Die Boudas, die mich und meine Mutter so gequält haben. Nach der Akademie bin ich hin, habe sie herausgefordert und eine nach der anderen getötet.«
Er leckte mir die Wange. »Komm mit zu mir nach Hause«, sagte er bloß.
Ich hielt mich an ihm fest und flüsterte: »Nichts und niemand könnte mich davon abhalten.«
Egal, womit ein Mann seine Brötchen verdient, es gibt immer Aufgaben, die man ungern tut. Ich zum Beispiel liebte meinen Job, das Schwert, die Flügel, das Köpfen von Bösewichten und all das Zeug, aber runter nach Savannah zu fliegen war echt das Letzte. Auf dieser Strecke wurde ich jedes Mal von einem feuchten Seewind erwischt, der von South Carolinas Küste herüberblies.
Es dauerte ein Weilchen, bis ich im Morgengrauen das richtige Haus gefunden hatte. Es war klein, weiß verkleidet und hatte ein grünes Dach. An dem Haus war nichts Besonderes, nur dass es von einem brutal starken Wehr geschützt wurde. Als ich es einmal umflogen hatte, spürte ich, wie die Magie erlosch: Kate hatte mich gesichtet. Nun konnte ich in Ruhe auf dem Gartenweg landen.
Sie saß mit einem Buch auf dem Schoß auf der Veranda. Kate war ziemlich hübsch, sonnengebräunt, mit dunklen Augen und dunklem Haar. Vielleicht sogar ein wenig exotisch. Sah jedenfalls nicht aus, als stammte sie hier aus der Gegend. Aber wer tat das schon heutzutage? Ihr
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