Höllische Versuchung
unbewegt.
Und sie hatte einen unglaublich schönen Mund.
Mit beiden Händen setzte sie die Tasse an die Lippen. Aus jedem anderen Blickwinkel wäre ihm das Lächeln um ihren Mund entgangen, auch ihre Stimme gab nichts preis, als sie auffordernd wiederholte: »Winters?«
»Winters, so hieß der Kammerdiener meines Onkels«, sagte Geoff. »Sein erster, sein zweiter, sein dritter und sein vierter.«
Ihre Mundwinkel verzogen sich. »Verstehe.«
Nein, höchstwahrscheinlich verstand sie gar nichts. Noch nicht. Sie ging davon aus, dass Colin, der Sohn eines reichen englischen Earls, aus Faulheit alle seine Diener ›Winters‹ nannte, damit er sich ihre Namen nicht zu merken brauchte.
»Sie entstammten alle der Familie Winters. Söhne und Enkel. Ein Neffe. Als mein Onkel zum Vampir wurde, stand der erste Winters in seinen Diensten. Er nahm ihn auf alle Reisen mit. Und er war dabei, als sich mein Onkel mit dem Drachenblut infizierte.«
Maggie musste doch wohl von dem Fluch wissen. Bestimmt war ihr aufgefallen, dass es in der Villa seines Onkels kaum Spiegel gab. Alle anderen Vampire konnten sich im Spiegel sehen, doch das Drachenblut hatte Ames-Beaumonts Bild ausgelöscht. Für einen solch eitlen Menschen wie seinen Onkel war es ein Fluch, sich seiner Schönheit nicht mehr vergewissern zu können.
»Oh«, sagte Maggie leise. »Ein ganz persönlicher Diener also. Ein Mann, den er mit Aufgaben betraut hat, die er selbst nicht mehr erledigen konnte, der seine Fassade aufrechterhielt und ihn während des Tagschlafs bewachte.«
»Mein Onkel behauptet, er hat es Winters zu verdanken, dass er in der ersten Zeit nicht den Verstand verloren hat.« Ihm und der Familie natürlich. »Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es keinen Winters mehr gegeben, zumindest nicht im Dienst meines Onkels. Durch seine Hilfe sind die Winters gesellschaftlich so aufgestiegen, dass sich niemand aufregte, als meine Großmutter einen Blake heiratete. Onkel Colin hat es dann nicht mehr für angemessen gehalten, dass jemand aus der Familie für ihn als Diener arbeitete, und hat sich von da an selbst um alles gekümmert.«
Vorsichtig setzte sie die Tasse ab. »Deine Großmutter war eine Winters?«
»Ja. Und sie hatte kaum ein blondes Haar mehr auf dem Kopf als ich.« Er griff nach seinem Saftglas und prostete ihr zu. »Und das, Maggie, verbirgt sich hinter dem Namen Winters. Sie können daraus Ihre eigenen Schlüsse ziehen.«
Wenn sie es tat, so ließ sie ihn nicht daran teilhaben. Stattdessen aß sie langsam eine Scheibe Toast.
Die Sache war ihr anscheinend nahegegangen, jedenfalls deutete Geoff ihr Schweigen so. Gut, dachte er. Sehr gut.
Auch wenn er sich wie ein Mistkerl vorkam, dass er ihr die Geschichte erzählt hatte. Er wusste genau, wonach sie sich sehnte. Ihr psychologisches Profil schrie förmlich danach. Von ihrer jungen Mutter hatte Maggie lediglich den Namen bekommen. Danach begann eine Odyssee zwischen Heim und Pflegefamilien, bis sie endlich mit zwölf Jahren eine dauerhafte Familie gefunden hatte. Bei den Pflegeeltern, die selbst keine Kinder bekommen konnten, fand sie endlich die ersehnte Stabilität, aber keine Liebe. Der Pflegevater war durch und durch Soldat, der noch die kleinsten Belange der Kinder straff durchorganisierte. Beständigkeit hatte Maggie dringend bedurft, doch ihr Wunsch dazuzugehören wurde erst in der Armee gestillt.
Die CIA hatte es gewusst und darauf gezählt, als sie sie rekrutierten. Nicht nur das Land, sondern auch die Kameraden verließen sich auf Maggies Loyalität. Doch was immer ihr die CIA gegeben haben mochte, nach dem Tötungsbefehl gegen James hatte es ihr nicht mehr gereicht.
Geoff war ein Mistkerl, dass er auch dieses Wissen nutzte, doch er war fest entschlossen, dass seine Familie ihr reichen sollte.
Einen Augenblick später verlor er sie aus den Augen. Verdammter Mist. Die Person zwei Tische weiter war wohl aus ihrem Tagtraum erwacht.
Als er wieder in Maggies Kopf schlüpfte, betrachtete sie sein Gesicht. »Wenn man bedenkt, wie beschützend Ames-Beaumont ist, wundert es mich, dass er nicht versucht, Sie hinter einem Schreibtisch festzunageln.«
»Versucht hat er das schon oft. Als ich das erste Mal angeschossen wurde, hat er gedroht, mir alle vier Wochen die Beine zu brechen, damit ich im Bett bleibe.«
»Das erste Mal?«
»Die Narbe, die Sie gesehen haben, stammt vom letzten Einsatz. In Kolumbien vor acht Monaten. Erstmalig war ich zu weit von einem unserer Labors entfernt. Also konnte
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