Hoellischer Verrat
Vaters war. Und wie für einen kurzen Moment seine so wohlkoordinierten Gesichtszüge überrascht verrutschten, als er sich meiner Anwesenheit plötzlich wieder bewusst wurde. Es war schließlich nur eine harmlose Verabredung. Etwas Abwechslung würde mir guttun. Obwohl mein Herz protestierte, verbot ich mir, ihn mit Levian zu vergleichen. Das mit Levian war einzigartig gewesen. Ich würde ihn niemals vergessen, aber ich würde auch nicht den Schmerz vergessen, den er mir durch seinen Verrat zugefügt hatte. Die Einladung von Tarsos würde eine nette Abwechslung zu meinem Alltag sein. Mehr nicht.
Kapitel 2
»Sie testen uns!«
A m nächsten Abend ging es los.
Alle im Aufenthaltsraum schreckten auf, als die Warnleuchten zum ersten Mal seit vielen Tagen wieder zu blinken anfingen. Die nachfolgende Durchsage ließ erkennen, dass es Ernst war.
»Alle verfügbaren Einheiten bereit machen! Ich wiederhole: Alle verfügbaren Einheiten bereit machen!«
Yaris, die in einer ausgebeulten Trainingshose hinter ihrem Schreibtisch gesessen hatte, sprang auf. »Leute, ihr habt es gehört. Alle umziehen und dann auf die Maschinen.«
Auf den Fluren herrschte Gedränge und die Aufzüge waren überfüllt. Diesen Befehl hatte ich vorher noch nie gehört. Es musste tatsächlich richtig was los sein, wenn mit einem Schlag alle verfügbaren Jäger mobilisiert wurden.
In den Umkleideräumen standen wir dicht an dicht , und als ich endlich meinen Helm aufhatte, wirkte Cayo regelrecht hysterisch.
»Nikka! Sie sind überall! Sie haben sich um die Kirchen herum versammelt, sie sind zu Dutzenden in den Parks unterwegs und es werden immer mehr! Es ist keine fünf Minuten her, da bekamen wir die ersten Bilder. Sie scheinen aus dem Boden herauszukommen, anders kann ich mir ihr plötzliches Erscheinen nicht erklären!«
»Aktiv oder passiv?«, fragte ich routiniert.
»Passiv. Sie erwecken nicht den Eindruck, eine Auseinandersetzung zu provozieren, sie sind nur einfach da!« Cayos Stimme überschlug sich.
»Wo sollen wir hin?«
»Ihr fahrt zur Ruine der Pauluskirche. Wir haben circa sechzig Engel dort gezählt. Team B3 und Team C6 werden euch unterstützen.«
»In Ordnung.«
Wir sammelten uns hinter Yaris und gemeinsam rasten wir die Rampe hinauf.
»Wie viele Schwerter?«, fragte ich.
»Wir wissen es nicht«, erwiderte Cayo. »Es sind einfach zu viele. Sei auf alles vorbereitet, Nikka, okay?«
»Ich werde mir Mühe geben.«
In einer Kolonne verschiedener Teams fuhren wir auf die Autobahn und das Blinken der vielen Lichter in der Dunkelheit hatte etwas Gespenstisches. Noch nie waren wir alle gleichzeitig unterwegs gewesen. Es wirkte, als würden wir uns aufmachen in eine Schlacht, die noch in der heutigen Nacht entweder der einen oder der anderen Armee den endgültigen Sieg bescheren würde. Vor und hinter uns nahmen immer wieder Einheiten die Ausfahrten, um zu ihren verschiedenen Einsatzorten zu gelangen. Mein Herz raste, doch ich zwang mich zur Ruhe. Was auch immer die Engel ausgeheckt hatten, wir würden sie besiegen. Wir waren unsterblich. Sie nicht. Und deshalb konnten sie nur verlieren.
Als wir auf die Pauluskirche zufuhren, schaltete uns die Zentrale auf Gruppenfunk. Ich versuchte, nicht daran zu denken, was ich tun sollte, wenn ich Levian wieder begegnen würde.
»Formieren«, sagte Yaris und auch die anderen beiden Teams ließen ihre Maschinen ausrollen und stiegen ab. Ich hängte meinen Helm ans Motorrad, tastete sicherheitshalber nach dem Mikro in meinem Ohr und zog noch mal den linken Waffengurt am Bein stramm, weil er mir vorhin etwas locker vorgekommen war. Dann folgte ich Yaris, die bereits auf dem Weg war.
Einzelne Fackeln erhellten das zerfallene Gebäude und ihre Flammen tanzten in einem zuckenden Rhythmus über die alten Steinquader. Es sah aus, als hätten sie die Kirche extra erhellt, damit wir sie nicht verfehlen konnten. Dann löste sich eine Gestalt aus dem Schatten der Lichter. Und dann noch eine. Und noch eine. So ging es weiter, bis eine ziemlich große Gruppe Engel die Ruine umstellte. Die Teams B3 und C6 übernahmen die seitlichen Flügel, Yaris platzierte uns am vorderen Eingang.
»Wie schön, dass ihr es einrichten konntet!«
Als die Stimme erklang, brauchte ich einen Moment, um sie zuzuordnen. Der Anführer der Gruppe, ein wahrhaft riesiger Engel mit schneeweißen überdimensionalen Flügeln, trat aus der Formation. Sein kurzes dunkelbraunes Haar besaß einen kupferfarbenen Schimmer,
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