Hoellischer Verrat
angelegt, dass ich mein Leben, meinen Job, meine Familie und meine Freunde verliere, nur damit du an Informationen kommst. Ich weiß nicht, wie kaltherzig man sein muss, um so einen Plan durchzuziehen, doch ich verspreche dir hier und jetzt: Ich vergesse dich. Ich werde so tun, als hätte es dich nie in meinem Leben gegeben. Und ich werde es nicht mehr zulassen, dass die Erinnerungen an dich mich traurig machen.«
Dann legte ich die kleine Feder auf meine geöffnete Handfläche. Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte ich, wollte diese Erinnerung an ihn, das Einzige, was von ihm geblieben war, nicht gehen lassen. Doch dann spitzte ich die Lippen und pustete sie von meiner Hand über den Rand des Daches und sah ihr zu, wie sie in einem tänzelnden Sinkflug durch die Luft wirbelte.
Tränen stiegen in meine Augen und ich musste den spontanen Impuls unterdrücken, wie eine Verrückte die Treppen hinunterzurennen, um die Feder wieder aufzufangen. Ich bohrte die Sohlen meiner Stiefel in den rauen Boden und zwang mich, still stehen zu bleiben. Die Feder wurde von einer Windbö erfasst, stieg hoch auf in die Luft und verschwand dann aus meiner Sichtweite. Etwas kraftlos ließ ich alle Luft aus meinen Lungen entweichen und mein Körper begann leicht zu zittern unter der Anstrengung, die Tränen zurückzuhalten. Der Engel hatte etwas mitgenommen. Er hatte ein Stück aus meinem Herzen gerissen und dort würde für immer ein Loch klaffen. Irgendwann würde es aufhören, zu bluten. Vielleicht würde es auch aufhören, zu schmerzen. Doch die Wunde selbst, das Fehlen eines Teils von mir, würde niemals verheilen.
Plötzlich wurde es laut auf dem Dach. Stimmengewirr erklang hinter meinem Rücken, Gelächter und tiefe männliche Stimmen, die offenbar über einen Kampf mit den Engeln sprachen.
Ich drehte mich um und sah eine Sechsergruppe Flugdämonen, die gerade aus einem der Aufzüge traten. Schnell straffte ich die Schultern, damit sie mein Zittern nicht sahen.
»Na, sieh mal einer an, was versteckt sich denn dort in der Dunkelheit?«, sagte einer und seine tiefe Stimme dröhnte bis zu mir herüber.
Ich trat vom Rand des Daches weg in einen der Lichtkegel der Dachscheinwerfer, damit sie nicht noch auf die Idee kamen, auf mich zu schießen, weil sie mich für einen Engel hielten. Die sechs kamen interessiert näher, ihre großen staubgrauen Körper in voller Kampfmontur und bis unter die Zähne bewaffnet. Das Geräusch ihrer schweren Stiefel hatte fast etwas Bedrohliches und ihre orange leuchtenden Augen sahen in der Dunkelheit noch beeindruckender aus als bei Tageslicht.
»Das ist hier keine Aussichtsplattform, Schätzchen«, sagte einer und grinste süffisant. »Es sei denn, du hast auf uns gewartet, dann würde ich eine Ausnahme machen. Du müsstest dich allerdings noch ein Weilchen gedulden, wir haben jetzt einen Einsatz.«
Ich war noch viel zu sehr in meinen Gedanken an Levian gefangen, um etwas Patziges zu erwidern. Und langsam fiel es mir schwer, meinen Körper so zu kontrollieren, dass er nicht wieder zu zittern begann. Die Aktion mit der Feder hatte mich aufgewühlt, ich war noch immer wie in Trance. Festgehalten in einem Strudel aus Erinnerungen, der mich immer noch tiefer zu ziehen schien.
»Nikka?«, fragte plötzlich eine vertraute Stimme.
Der Kopf des Typen, der mich gerade so unverschämt angesprochen hatte, flog herum.
»Ach, sie gehört zu dir?«
Narkas drängelte sich durch die Gruppe, ohne den Kerl weiter zu beachten.
Ich musste wohl ziemlich aufgelöst wirken, denn sein Blick wurde immer besorgter, als er auf mich zukam.
»Alles in Ordnung?«
Ich sah in sein gut geschnittenes Gesicht und mein Blick wanderte über seine Gestalt. Ganz in Schwarz gekleidet, die riesigen Flügel hinter ihm und mit den schweren Waffen, die ihm lässig in Halftern um Schultern, Hüften und Oberschenkel hingen, sah er wirklich bedrohlich aus. Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück, immer noch überrascht und verwirrt von der plötzlichen Störung. Mit den Flügeln sah er fast aus wie ein Engel und meine Beine machten sich selbstständig, während mein Kopf wie in Watte gepackt schien.
Narkas blieb abrupt stehen und hob beschwichtigend die Hände, als ich weiter an den Rand des Daches zurückwich.
»Um Himmels willen, Nikka, bleib stehen. Ich bin es. Narkas.«
Stimmen wurden laut in der Gruppe, als sie mein Verhalten beobachteten.
»Sie wirkt irgendwie durcheinander.«
»Sieht aus, als hätte sie Angst vor
Weitere Kostenlose Bücher