Hoellischer Verrat
reinigen, Munition bereitlegen, Motorräder checken. Wenn Cayo von der Besprechung zurück ist, bekommt ihr Bescheid.« Zustimmendes Gemurmel erklang, nur Riki schien widerwillig.
»Wenn du etwas weißt …«, flüsterte sie und funkelte mich an.
»Erspare mir deine wirren Verschwörungstheorien«, sagte ich und ließ sie stehen. Zusammen mit Vil und Hento bahnte ich mir einen Weg durch die überfüllten Gänge bis zu den Umkleideräumen. Fast überall war das Blut der Verletzten auf die gummierten Böden getropft und aus einigen Räumen klang heiseres Stöhnen. Ich bekam eine Gänsehaut, die nicht mehr verschwinden wollte .
Als Cayo nach der offiziellen Besprechung zu uns kam, hatte er Neuigkeiten. Für den Transport von Verletzten sollten Wagen bereitgestellt werden, deren Anlieferung an die Zentralen und Hauptquartiere noch heute Nacht in Auftrag gegeben worden war. Wie es aussah, wurden überall und zur gleichen Zeit die Engelgruppen gesichtet, was auf eine technisch einwandfrei funktionierende Organisation hinwies, die die Experten ziemlich beunruhigte.
Riki wirkte immer noch sehr aufgebracht und ihre fast hysterisch anmutenden Einwände wurden zu einer misstrauischen Rede gegen mein Insiderwissen und meine vornehme Herkunft, bis ich ihr Schläge androhte und meine Reißzähne angriffslustig hervorschnellten. Yaris schickte Riki ein zweites Mal zum Duschen und ich konnte mich nur mit Mühe wieder zur Ruhe zwingen. Dennoch hatte Riki es geschafft, dass das Team mich argwöhnisch beäugte, so als wäre ich eine Spionin der Engel, die aus Versehen ein Geheimnis ausgeplaudert hatte. Ich hingegen war sauer auf Yaris, denn hätte sie mich mit ihrer Anspielung nicht zu einer Aussage genötigt, wäre jetzt die Stimmung deutlich weniger aggressiv aufgeladen.
Kurz vor Dienstschluss hing ich mit Mik gerade über einem nervigen Würfelspiel, dessen verzwickte Regeln mein Gehirn einfach nicht verstehen wollte , als Pina unter ihrer Decke zu jammern anfing. Noch bevor Mik und ich aufspringen konnten, war Hento bei ihr. Pinas Augen schimmerten trüb und sie schien unsere Anwesenheit nicht einmal zu bemerken.
»O nein, bitte nicht, nein!« Hento, der die Decke vorsichtig angehoben hatte, sah entsetzt auf ihre Hand, die sich erneut vom Stumpf zu lösen begann, anstatt endlich wieder anzuwachsen. Das Geflecht aus blauen Linien war so dicht, dass man ihre Haut kaum noch erkennen konnte. Ich sprintete zu Yaris’ Schreibtisch, ergriff eine Schere und schnitt dann den Ärmel von Pinas Anzug bis zur Schulter auf. Ihr kompletter Arm war dunkelblau, so wirkte es zumindest, weil auch hier kaum noch Haut zu sehen war.
»Was … was passiert hier?«, keuchte Hento und gemeinsam beugten wir uns über Pinas Hand. Die blauen Adern schienen sich zu öffnen und die zischende Flüssigkeit fraß sich mühelos durch das Nahtmaterial. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie schrecklich das blaue Zeug auf der Haut brannte und Pina musste es wirklich sehr schlecht gehen, denn sie zuckte nicht einmal. Die Hautfalten begannen, sich voneinander zu lösen, dann war das rohe Fleisch zu sehen. Wieder platzten kleine Adern und lösten die feinen Fäden. Pinas Hand knickte vom Stumpf weg. Es zischte und fing wieder zu bluten an.
Hento schüttelte den Kopf in stummem Protest und Mik hatte ihm beistehend einen Arm um die Schulter gelegt. Pinas Hand löste sich endgültig vom Stumpf und ich konnte sie gerade noch auffangen. Sie war eiskalt.
»Und … jetzt?« Wie paralysiert hielt ich Pinas Hand zwischen meinen Fingern.
»Sie blutet wieder«, sagte Mik. »Wir müssen den Stumpf verbinden.« Er ging an einen wackligen Schrank und zog eine Tischdecke hervor, die wir manchmal für Feiern auf den großen Tisch legten. Damit verband er Pinas Arm provisorisch, während ich immer noch nicht wusste, was ich mit der blau verfärbten Hand machen sollte.
»Leg sie in den Kühlschrank«, sagte Hento.
»Einfach so?«
»Mach irgendetwas drum herum, keine Ahnung, aber mach schnell!«
»Ja, schon gut!« Ich fand eine Plastikdose, in der Yaris mal Kekse mitgebracht hatte. Also legte ich die Hand dort hinein, machte den Deckel stramm zu und stellte sie in den Kühlschrank. Pina wimmerte erneut , und als ich wieder zur Couch stürzte, sah ich, wie sich die blauen Adern schon über den Kragen ihres Anzugs erstreckten und in Richtung Gesicht wanderten.
»So kann sie doch nicht nach Hause! Und hierbleiben kann sie auch nicht, wir haben gleich Schluss«, sagte Vil,
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