Hoellischer Verrat
Schnell tat ich so, als hätte ich nichts bemerkt und setzte ein mechanisches Lächeln auf. Diese drei hatten irgendetwas mit einem verletzten Engel zu schaffen gehabt und ich würde herausfinden, was genau es war. Doch dafür musste ich sie zunächst glauben lassen, dass ich das Feld räumen würde.
»Nun gut«, sagte ich und sie erwiderten mein Lächeln leicht verkrampft. »Einen guten Abend.« Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging mit betont schweren Schritten über den Schotter. Als sie außer Sichtweite sein mussten, blieb ich stehen, löste die Schnallen meiner Boots und zog sie mir von den Füßen. Die groben Steine piksten schmerzhaft durch meine dünnen Socken, doch meine Neugier war stärker. Lautlos schlich ich zurück. Ich hörte Bruchteile einer Unterhaltung, in der man geschlossen mein Auftreten als ziemlich überflüssig beurteilte. Nun war ich es, die sich ein Lachen kaum verkneifen konnte.
Als ich den Ausgang erreicht hatte, hörte ich Autotüren knallen. Vorsichtig lugte ich ins Freie. Die drei waren in einem mattgrauen Transporter verschwunden und starteten gerade den Motor. Irgendwo tief in der letzten Ecke meines Gehirns leuchtete ein Warnlämpchen auf. Diese Situation kam mir aus einem unerklärlichen Grund bekannt vor. Doch wie konnte das sein? Scheinwerfer leuchteten auf und ich duckte mich wieder hinter den Türbogen . Als der Wagen sich in Bewegung setzte, polterte es auf der Ladefläche. Dann erklang ein jämmerlicher Schmerzensschrei. Eine Gänsehaut raste meine Wirbelsäule hinunter. Sie hatten einen Gefangenen hinten im Transporter eingeschlossen! Das hastig verlassene Lager, der verletzte Engel, das Blut an den Händen des Dämons …
»Das kann nicht sein …«, flüsterte ich. Wieder hatte ich das Gefühl, dass das entscheidende Stück des Puzzles tief verborgen in meinen Erinnerungen schlummerte. Seit wann machten Zivilisten Jagd auf Engel? Und warum wurde ich den Eindruck nicht los, dass mir irgendetwas an dieser Situation bekannter vorkam, als mir bewusst war?
Die Scheinwerfer des Transporters wurden immer kleiner und grübelnd machte ich mich auf den Weg zu meinen Stiefeln. Danach untersuchte ich noch mal das Lager des Engels, fand aber nichts Außergewöhnliches. Zurück bei der Maschine setzte ich schnell meinen Helm wieder auf, um keine Zeit zu verlieren.
»Cayo?«
» Nikka, bist du okay?«
»Ja, ich bin okay.« Immer noch nachdenklich startete ich den Motor und gab Gas. Vor meinem geistigen Auge erschien wieder das Bild des Transporters. Mattgrau . Eine seltene Farbe für ein Auto. Fast eine Tarnfarbe. Ich keuchte erschrocken, als die Erinnerung mit aller Wucht über mir zusammenbrach.
»Und … hast du die Zivilisten gefunden?«
»Was?«
»Die Zivilisten?«
»Nikka? Alles okay? Geht es dir nicht gut?«
Wieder sah ich den Transporter, der auf so eine besondere Art lackiert war. Eine Farbe, die in der Dämmerung mit ihrer Umgebung zu verschmelzen schien. Eine Farbe, über die mein Bruder so ausführlich gesprochen hatte. Und zwar, als wir gemeinsam den seltsamen Transporter beobachtet hatten, der zum Fuhrpark meines Vater s gehörte. Eine zweite Gänsehaut jagte über meinen Körper.
»Nikka«, bellte Cayo. Ich zuckte zusammen und hätte fast das Lenkrad verrissen. Ich konnte ihm unmöglich davon erzählen.
»Es war alles ruhig, niemand war mehr dort.«
»Warum antwortest du dann nicht?«
»Der Empfang ist schlecht, Cayo. Ich komme jetzt zurück.«
»In Ordnung.« Cayo schien besänftigt. »Fahr vorsichtig.«
»Sicher«, erwiderte ich und gab im gleichen Moment so brutal Gas, dass das Vorderrad meiner Maschine ein Stück vom Boden abhob. Ich musste diesen Transporter verfolgen und sehen, ob er tatsächlich zum Anwesen meiner Eltern fuhr. Der Wagen würde vermutlich die instand gesetzten Straßen nutzen müssen, während ich eine Abkürzung über die Schleichwege nehmen konnte.
Vor der Zufahrt zum Anwesen schob ich meine Maschine in den Straßengraben und legte mich flach daneben. Wenn das Trio nicht vorher jeden Zentimeter seiner Umgebung scannte, würde es mich nicht bemerken. Es dauerte nicht lange und Scheinwerfer erhellten die Dunkelheit. Ich wagte kaum zu atmen, doch als der Wagen zielstrebig abbog, fand ich meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Vaters Männer machten Jagd auf Engel und brachten sie in eine bunkerähnliche Anlage, die tief unter unserem Haus versteckt lag.
Ich war mir sicher, dass die anderen Ratsmitglieder keine Ahnung
Weitere Kostenlose Bücher