Hoellischer Verrat
hatten, was hier vor sich ging, denn sonst hätte Vater sich nicht so bemühen müssen, all dies geheim zu halten. Ob Mutter wusste, dass sie nur wenige Meter entfernt von gefangen genommenen Engeln schlief? Ich war schwer versucht, mit wehenden Fahnen ins Haus meiner Eltern zu stürzen und meinen Vater zur Rede zu stellen. Dann fiel mir ein, wie Yaris erwähnt hatte, dass der Rat bereits tagte und ich ihn somit zu Hause vermutlich gar nicht antreffen würde. Und ihn vor allen anderen Mitgliedern mit solcherlei Vorwürfen zu belasten … dafür brauchte ich mehr Beweise. Also zückte ich mein Telefon.
»Jaro, wir müssen reden!«
»Nikka?« Jaros Stimme klang verschlafen . »Es ist mitten in der Nacht.«
»Es geht um Vater und … du weißt schon was. Deine Entdeckung.«
»Hast du Nachtdienst?«
»Ja. Aber …«
»Nachtdienst heißt, dass du arbeitest, wenn andere schlafen, Nikka.«
Aus dem Hintergrund hörte ich eine leise weibliche Stimme.
»Hallo Eli! Viele Grüße … Jaro, richte ihr viele Grüße aus.«
»Nikka«, stöhnte Jaro. »Wir reden morgen, ja?« Dann legte er einfach auf.
»Es ist aber dringend, du Trottel«, murmelte ich und schob das Telefon zurück an seinen Platz. Dann griff ich nach meinem Helm, schob das Motorrad zurück auf die Straße und machte mich auf den Weg ins Hauptquartier. Allzu lange konnte ich nicht wegbleiben, ohne dass mein Verschwinden auffallen würde. Und auf Erklärungen hatte ich im Moment so gar keine Lust.
Im Hauptquartier war die Stimmung nach wie vor auf dem Nullpunkt. Ich, mit meiner grüblerischen Laune, fiel dort glücklicherweise nicht weiter auf. Yaris erzählte, man habe Hento mittlerweile bis in die Ratsversammlung vorgelassen. Die getöteten Kollegen waren von ihren Familien abgeholt worden und sollten in feierlichen Zeremonien verbrannt werden. Das gesamte Hauptquartier wartete auf erste Beschlüsse aus den Sitzungen, doch keine Informationen drangen nach außen. Als meine Nachtschicht endete, war Hento immer noch nicht zurück. Yaris entließ uns in den Feierabend und hatte jemanden von der Tagesschicht gebeten, ihr eine Nachricht zu schicken, sollte es Neuigkeiten von Hento geben.
Kapitel 11
»Überfall der Engel«
E igentlich freute ich mich darauf, nun endlich Jaro aus dem Bett zu schmeißen, um ihn mit den allerneusten Erkenntnissen zu bombardieren, doch als ich meinen Apartmentkomplex erreichte, waren dort alle Bewohner in hellem Aufruhr. Ich kämpfte mich an wild durcheinanderschreienden Nachbarn vorbei bis zu meiner Etage.
Überall fiel das Wort »Engel« und ich ahnte nichts Gutes. Auf meiner Etage hielten sich die Zerstörungen in Grenzen. Doch dann erreichte ich meine Tür beziehungsweise das, was davon übrig geblieben war. Jemand musste schweres Werkzeug benutzt haben, denn sie schien wie mit einem Rammbock aus den Angeln geschlagen.
»Die Engel haben das Haus überfallen«, kreischte meine Nachbarin von gegenüber und hatte die Tür sicherheitshalber nur einen Spaltbreit geöffnet.
Und wieso war ihre Tür dann noch intakt?
»Sie sind überfallen worden?«, fragte ich also.
»Nein!« Ihre Stimme überschlug sich hysterisch. »Aber sehen Sie sich mal Ihr Apartment an, das sieht aus wie nach einem Wirbelsturm.«
»Sie meinen also, dass ich überfallen worden bin.«
»Ja! Aber es wurde im Haus noch mehr randaliert. Die Engel waren es, man hat überall Federn gefunden.«
»Verstehe.« Ich nickte ihr dankend zu, dann betrat ich das, was ehemals meine Wohnung gewesen war. Im Wohnzimmer hatte jemand die Couch in mundgroße Häppchen zerlegt, die Theke zu Kleinholz verarbeitet und den Aggregatwandler aus der Wand gerissen. Der Computer war zertrümmert und alle Scheiben eingeschlagen. Das Bett im Schlafzimmer glich einem traurigen Bretterhäufchen und mein Metallschrank war seltsam verbogen. Im Badezimmer waren sämtliche Kacheln von den Wänden geschlagen worden, Waschbecken und WC existierten nur noch als Porzellanscherben und das Wasser schwappte mir knöchelhoch entgegen. Schnell machte ich die Tür wieder zu und musste ein paar Mal tief durchatmen. Ich ließ meinen Blick über das gesamte Ausmaß der Zerstörung wandern und machte mich daran, wenigstens die letzten Reste meiner Habe zu retten. Erst dabei fiel mir auf, dass nichts fehlte.
Jemand hatte meine Wohnungseinrichtung pulverisiert, aber nichts mitgenommen. Ein Windstoß rauschte durch das zerstörte Fenster und wehte mir eine helle Feder vor die Füße.
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