Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
Augen rückwärts in die Diele geschoben, nachdem sie bisher ganze zwei Worte über die Lippen gebracht, ihn ansonsten nur angestarrt hatte wie die Schlange das Kaninchen oder Julia ihren Romeo, durfte er wohl davon ausgehen, dass sich nichts verändert hatte.
    Sie musste dreimal trocken schlucken, ehe ihre Zunge ihr so weit gehorchte, dass sie fragen konnte: «Darf ich dir etwas anbieten, Heiko? Einen Cognac vielleicht?»
    Sie versuchte seinem Blick standzuhalten, dabei zu lächeln und gleichzeitig ihre Hände und die Beine ebenfalls unter Kontrolle zu bringen. Ihre Knie waren immer noch so weich wie vollgesogene Schwämme, dass sie meinte, beim nächsten Schritt einzuknicken. So war es damals am Fenster auch gewesen. Erregung. Damals war es das gewesen. Was es jetzt war, wusste sie nicht und wollte nicht darüber nachdenken.
    Es war kurz vor elf. Eddi würde erst zwischen halb vier und halb fünf heimkommen. Es hing davon ab, ob er nachmittags noch zwei oder drei Patienten hatte. Morgens beim Frühstück hatte er nur gesagt, dass er heute noch die Einkäufe fürs Wochenende mit ihr machen möchte, dann könnten sie morgen richtig ausschlafen.
    Das bedeutete, dass Eddi für den Abend etwas Besonderes plante und es eine lange Nacht werden sollte. Vielleicht glaubte er, sie sei gestern Abend vor der Couch nicht auf ihre Kosten gekommen, weil es so schnell gegangen war. Vielleicht dachte er auch, sie sei mit ihren Gedanken nicht wirklich bei ihm gewesen. Und das sollte sich in der kommenden Nacht nicht wiederholen.
    Einmal hatten sie beinahe Streit bekommen wegen ihrer Gedanken. Ausgerechnet an ihrem zweiten Hochzeitstag. Sie hatten daheim gefeiert, Eddi hatte etwas getrunken, sie ebenfalls. Dann hatten sie sich geliebt, fast die halbe Nacht hindurch.
Wir bewegen uns ganz langsam, bis wir denken, dass wir verrückt werden.
    Der Satz war ihr plötzlich durch den Kopf geschossen und auch gleich zum Mund heraus. Und Eddi hatte sich über ihr aufgerichtet, sie angeschaut, als sehe er sie zum allerersten Mal. Seine Stimme war rau und sehr kühl gewesen. «Hör zu, meine Liebe», hatte er gesagt, sie nicht mit Namen angesprochen wie sonst.
    «Hör zu, meine Liebe! Ich habe nichts dagegen, wenn du dich mit entsprechenden Vorstellungen in Stimmung bringst, das tun wir alle. Aber wenn du dabei ausgerechnet an dieses Scheusal denken musst, dann sag es mir lieber. Dann weiß ich wenigstens, woran ich mit dir bin.»
    «Eines Tages, Püppi …»
    War Heiko deshalb gekommen? Um dieses Versprechen einzulösen oder einzufordern?
    «… wenn wir viel Zeit haben …»
    Wie viel Zeit hatte er sich denn vorgestellt? Waren fünf Stunden genug? Dann könnte er wieder weg sein, ehe Eddi heimkam. Oder war er auf die Nacht fixiert? Reichte es, den Rollladen herunterzulassen?
    «… und ein großes Haus, wo uns keiner stört …»
    Das Haus hatte hundertvierundzwanzig Quadratmeter – ohne Keller und Dachgeschoss. Das war bestimmt groß genug.
    «… und ein breites Bett …»
    Solch ein Bett stand oben. Im Keller war auch Champagner.
    «Dann tun wir es richtig!»
    Ed würde nicht glauben, dass es darum ging, nicht eine Sekunde lang. Ed würde vielmehr annehmen, Heiko sei gekommen, um sie zu töten. Aber das hätte er doch bereits tun können, die Hände um ihren Hals legen, zudrücken. Und er schaute sie nur an.
    So wie früher in den beiden Wochen, in denen ihr Vater sie abends bei Retlings abgeholt hatte. Wenn Heiko schon an der Straßenecke stand und sie an ihm vorbeigefahren wurde. Weil das am Wochenende so schön gewesen war, war er danach jeden Abend gekommen, obwohl sie nicht mehr tun konnten, als flüchtige Blicke zu tauschen. Blicke, in denen sich all seine Sehnsucht spiegelte und so viel Verlangen, dass sie darin hätte untergehen und ertrinken mögen.
    Sie hatte immer genau gewusst, was er dachte in den wenigen Sekunden, in denen ihre Augen sich trafen. Ganz genau hatte sie es gewusst, weil es im Grunde ihre eigenen Gedanken waren.
Gleich küsse ich dich. Wenn du zu Abend gegessen hast, lege ich den Arm um dich, wir gehen gemeinsam hinauf in dein Zimmer, schließen die Tür hinter uns ab. Wir legen uns aufs Bett. Ich ziehe dich aus, ganz langsam, Stück für Stück, damit du es genießen kannst. Ich schaue dich an. Ich berühre dich.
    Und dann allein im Bett liegen, angefüllt von den Zehenspitzen bis unter die Haarwurzeln mit dieser unbändigen Kraft: dem Wissen, dass er immer noch dort unten stand und seine Hände zusammen mit

Weitere Kostenlose Bücher