Hörig (German Edition)
Und dieses entsetzliche Grinsen. Ihr wurde übel, als ihre Phantasie sich gegen den Willen durchsetzte.
Der Fettwanst trug ein dunkles, fleckiges Hemd über einer ebenfalls dunklen und schmuddeligen Hose. Alles an ihm war schmuddelig. Keine Frage, der Ford Fiesta gehörte ihm. Und seine Gedanken waren noch schmutziger als seine Kleidung und das Auto. Sie konnte sie körperlich spüren, so deutlich, als hätte er sie schon berührt.
«Darf ich vorstellen», sagte Heiko lässig. Oder spöttisch, sie war zu verunsichert, um den Unterton in seiner Stimme noch richtig einordnen zu können. Er deutete auf sie. «Das ist Püppi, meine Kleine. Für dich Patrizia.»
Dann wies seine Hand auf den Dicken. «Und das ist Peter, der Große.» Er lachte und fügte hinzu: «Passt doch, oder?»
Während er sprach, griff er nach dem Schulterriemen ihrer Handtasche, nahm ihn ab und hielt die Tasche fest.
Der Fettwanst streckte ihr eine Hand zum Willkommensgruß entgegen. Seine Fingernägel waren schwarz umrahmt von Dreck. Und noch schlimmer war der stechende Schweißgeruch, der ihn umhüllte wie eine Dunstglocke. Es kostete sie große Überwindung, den Würgreiz zu unterdrücken und seine Hand zu ergreifen. Sein Händedruck war lasch und schwammig.
Sie versuchte, an dem Dicken vorbei etwas zu erkennen. Aber ins Wohnzimmer und die dunkle Küche konnte sie aus ihrer Position nicht hineinsehen. Die Toilettentür war geschlossen. Und der Treppenaufgang zum ersten Stock verlor sich nach oben in Dunkelheit.
«Wir geh’n am besten sofort runter», sagte Heiko. «Hier oben sollten wir uns nicht unnötig lange aufhalten.» Er legte seine Jacke und ihre Handtasche auf die hüfthohe Mauer, die die Diele von der nach unten führenden Treppe abgrenzte, und griff wieder nach ihrem Arm.
«Was ist mit meinem Koffer?», fragte sie.
«Später», sagte er. «Momentan brauchst du den doch nicht. Ich hab ’ne ganz besondere Überraschung für dich. Du wirst Augen machen, Püppi.»
Er hielt sie am Arm, während er sie die Kellertreppe hinunterführte, als fürchte er, sie könne straucheln und stürzen. Der Dicke schaute ihnen nach und leckte sich die Lippen. Und das tat er genau in dem Moment, als sie zu ihm zurückblickte. Es hatte etwas Absichtliches und Genießerisches, als ob er vor einem Teller voll langentbehrter Köstlichkeiten säße.
Wieder schoss ihr ein heißer Schwall von Furcht und Ekel durch die Eingeweide.
«Er hatte so viel Interesse an deiner Person wie an einem Wetterbericht vom vergangenen Oktober»,
sagte Ed in ihren Gedanken.
Sie hatte die letzte Stufe erreicht, blieb stehen und drehte sich zu Heiko um. Der Dicke stand wahrscheinlich immer noch oben nahe dem Treppenabgang. Zu sehen war er nicht wegen der Mauer, aber Schritte in der Diele hatte sie nicht gehört. Und dass er bei seiner Masse geräuschlos auftreten konnte, schloss sie aus, obwohl er im Gegensatz zu Heiko ausgelatschte Sportschuhe mit weichen Gummisohlen trug.
«Wer ist das?», erkundigte sie sich flüsternd.
«Hab ich dir doch gesagt», erklärte Heiko in normaler Lautstärke. «Ein Freund, ein guter Kumpel, mit dem man Pferde stehlen und durch dick und dünn gehen kann.»
«Er gefällt mir nicht», flüsterte sie. «Er hat mich angesehen, als ob er sich gleich auf mich stürzen wollte. Schick ihn weg, Heiko. Ich mag ihn nicht. Und jetzt brauchst du ihn doch nicht mehr. Ich meine, du hast mich gefunden, wir sind hier. Und wenn wir wieder wegwollen, ich habe genug Geld für ein Taxi dabei.»
Darauf bekam sie keine Antwort. «Du hast nichts mit ihm zu tun und nichts von ihm zu befürchten», behauptete er stattdessen. «Er läuft dir auch nicht noch mal über den Weg. Also mach dir wegen ihm keine Gedanken.»
«Wozu brauchst du ihn denn?», fragte sie.
Sie rechnete nicht wirklich mit einer Auskunft. Aber Ed hatte einmal gesagt, Heiko Schramm sei ein Mann, der es nicht vertrug, wenn man sein Ego ritzte.
«Ist er …», nun sprach sie laut genug, um auch in der Diele gut verstanden zu werden, und deutete mit einer raschen Bewegung des Kopfes nach oben, «… der Mann, der damals alles geplant hatte? Der Boss?»
Ed hatte richtig gelegen mit seiner Einschätzung. Heiko reagierte mit deutlichem Unwillen, auch wenn er versuchte, es mit einem Lachen zu überspielen. Es war ein bisschen zu laut und zu abfällig, dieses Lachen. Darauf folgte ein wegwerfendes «Quatsch!».
Zusätzlich schüttelte er auch noch den Kopf. «Du hast vielleicht Ideen, Püppi. Der
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