Hör!Mir!Zu! 10 Gespräche von Frau zu Mann
Zuhörer. Aber vor allen Dingen soll er natürlich jede freie Minute bei uns sein, denn für ein verliebtes Paar gibt es doch gar nichts Schöneres, als seine Freizeit miteinander zu verbringen, da es doch sowieso vom Leben die gleichen Dinge erwartet? Kurz gesagt: Wir wünschen uns den strahlenden Prinzen in goldener Rüstung, der uns auf seinen edlen Schimmel hebt und den Himmel auf Erden bereitet. Auch wenn wir es gar nicht zugeben, weil wir es natürlich längst besser wissen. Die Sehnsucht danach bleibt ganz tief innen doch bestehen.
Es gibt also kein Gebiet, auf dem sich mehr Missverständnisse, unerfüllte Sehnsüchte und völlig übertriebene Erwartungen tummeln. Denn nur weil zwei Menschen sich lieben, heißt das noch lange nicht, dass sie auf jedem Gebiet ihres Lebens immer die gleichen Interessen, Wünsche und Bedürfnisse haben.
Ulla und Norbert sitzen auf dem Sofa und sehen sich zusammen einen ziemlich nichtssagenden Film an. Ulla langweilt sich sichtlich und kuschelt sich kurz entschlossen an Norbert, der sich aber davon nicht weiter stören lässt, sondern ungerührt weiter den Film verfolgt. Ulla nimmt seinen Arm und legt ihn um ihre Schultern, Norbert aber reagiert immer noch nicht. Sie fühlt sich zurückgewiesen und fragt: »Sag mal, merkst du gar nicht, dass ich mit dir kuscheln will?« Norbert antwortet: »Was soll das jetzt? Ich dachte, wir wollten uns gemeinsam den Film anschauen?« »Aber der ist doch stinklangweilig!«, mault Ulla. »Außerdem könntest du manchmal ein bisschen mehr Zeit für mich haben und netter zu mir sein.« »Was soll denn das schon wieder heißen?«, fragt Norbert genervt. »Was hat denn nun der Film und nett sein miteinander zu tun? Und überhaupt: Ich sitze doch hier mit dir zusammen auf dem Sofa und verbringe also die Zeit mit dir! Was willst du denn eigentlich noch von mir?« Ulla, in der es schon lange brodelt, ist empört: »Na, außer der Glotze gibt es doch gar nichts mehr für dich! Was habe ich denn noch von dir , kannst du mir das mal sagen? Du kommst von der Arbeit nach Hause, isst mit uns und werkelst dann irgendwas herum. Um mich kümmerst du dich doch schon seit ewigen Zeiten nichtmehr!« Norbert ist sauer! »Na toll«, schnauzt er zurück, »wie ich es mache, ist es verkehrt. Jetzt schau ich mir schon diesen blöden Film wegen dir an und außerdem werkle ich nicht an >irgendwas< herum, sondern mache das Gartenhäuschen und die Gartenwerkzeuge winterfest, falls es dir entgangen sein sollte.« Da wird Ulla wütend und tobt: »Da bin ich aber froh, dass du einen Garten hast, sonst müsstest du dich am Schluss doch noch mal um mich kümmern. Wann hast du mir denn das letzte Mal gesagt, dass du mich liebst? Wann hattest du das letzte Mal einfach nur Zeit für mich, für ein gutes Gespräch bei einer Flasche Wein oder gar für einen Kuschelabend bei Kerzenlicht? Und wann hast du mich das letzte Mal in den Arm genommen oder gar geküsst? Wenn ich dir nicht wenigstens einen Gute-Nacht-Kuss geben würde, dann würdest du mich doch ganz und gar übersehen! Ich bin doch sowieso nur noch Luft für dich...«. »Halt, halt«, unterbricht sie Norbert, nun ebenfalls voller Wut, »seit wann ist das denn mein Garten? Gestern war es auf jeden Fall noch unser Garten, wenn ich mich recht erinnere! Ich tue das doch nicht zu meinem Privatvergnügen, sondern auch für dich und die Kinder. Oder benutzt du den Garten etwa nicht? Das ist doch wirklich der Gipfel der Unverschämtheit! Ich kann ’s ja auch sein lassen, wenn dir das lieber ist. Dann habe ich mehr Zeit für dich und du machst deinen Kram eben allein.« »So habe ich das doch gar nicht gemeint!«, versucht Ulla Norbert zu besänftigen und bemüht sich sichtlich um einen ruhigeren Ton. »Ich bin doch ganz froh, dass du dich um den Garten kümmerst. Aber für mich hast du gar keine Zeit mehr. Ich bin einsam und ich glaube fast, dass du mich gar nicht mehr liebst, sonst würdest du doch versuchen, mehr Zeit mit mir zu verbringen und wenigstens ab und zu ein liebes Wort zu mir zu sagen. Oder? Von einer zärtlichen Geste ganz zu schweigen.« »Du weißt doch, dass ich dich liebe. Warum soll ich das denn dauernd sagen?«, spöttelt Norbert zurück. »Soll ich mir vielleicht ein Schild umhängen, damit du es immer lesen kannst? Und ich komme doch jeden Tag nach der Arbeit nach Hause zu dir und schlafe jede Nacht an deiner Seite. Das ist doch wohl genug Zeit, die ich mit dir verbringe. Also was willst du denn?«
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