Hoffnung am Horizont (German Edition)
das sie angeblich von Johnny erwartete. Wer konnte schon sagen, dass sie das Kind nicht einfach erfunden hatte, um ihren Bruder noch weiter an sich zu binden? Damit Johnny sie nicht wegschickte? Selbst wenn sie schwanger sein sollte, konnte sie nicht beweisen, dass es das Kind seines Bruders war.
Er drehte sich wieder zu Carlson um. „Ich nehme Ihr Angebot gern an, Herr Pfarrer. Das kommt mir wirklich gelegen. Danke.“ Wenn er hier im Stall wohnte, müsste er nicht mehr durch die Stadt laufen. Das wollte er gern vermeiden. Er wäre am liebsten früher aufgebrochen, aber es gab noch zu viel zu tun. „Mrs McCutchens und ich haben gestern miteinander gesprochen. Ich denke, wir haben alles weitgehend geklärt. Finden Sie nicht auch, Madam?“
Annabelle lächelte freundlich, auch wenn sie während des Essens sehr still gewesen war. Aber das war ihm eigentlich ganz recht so.
„Ja, ich glaube, wir haben alles ausführlich angesprochen, Mr Taylor.“ Sie stand auf, sammelte die restlichen Teller ein und blickte dann auf seinen rechten Stiefel hinab, als sie an ihm vorbeiging.
Matthew drückte seinen Stiefel fest auf den Boden. Obwohl er ihre subtile Art im Stillen bewunderte, zeigte er das nicht. Selbst wenn sie schwieg, sagte diese Frau schon zu viel.
Nachdem er in Rekordzeit den besten Kirschkuchen gegessen hatte, an den er sich erinnern konnte, wünschte er allen eine gute Nacht und verließ das Haus.
* * *
Annabelle saß auf dem Geländer der Veranda und ließ ihre Beine unter ihrem langen Rock vor und zurück baumeln. Sie atmete die kühle Nachtluft ein. „Ich glaube, die Nächte in Colorado werde ich am meisten vermissen.“ Genauer gesagt die Nächte, die sie erlebt hatte, seit sie dem Bordell entkommen war.
Patrick saß neben Hannah auf der Verandaschaukel und hatte den Arm um ihre Schultern gelegt. Das sanfte Quietschen der Schaukel war das einzige Geräusch, das in der Dunkelheit zu hören war.
„Hannah und ich haben uns gefragt … habt ihr, du und Jonathan, viel über Idaho gesprochen? Über euer Zuhause dort und wie es aussieht?“
„Ein wenig. Er konnte es nicht erwarten, dorthin zu kommen und es mir zu zeigen. Er sagte, es sei das schönste Land, das er je gesehen hat, und das heißt viel, denn er hat Colorado wirklich geliebt. Er hat sogar gesagt, dass Idaho ihn stark an Colorado erinnert. Aber mir ist egal, wie es dort aussieht. Es wird etwas Besonderes für mich sein, weil es für ihn etwas Besonderes war.“
Sie griff nach ihrer Teetasse und hörte, wie ihr Ehering mit einem leisen Klirren das Glas berührte. Wieder hier zu sein, spät am Abend auf der Veranda zu sitzen und sich zu unterhalten, das alles erinnerte sie an die Zeit mit Jonathan vor ihrer Heirat. Sie hatten viele Abende hier draußen mit den Carlsons verbracht.
„Ich habe heute wieder über Jonathans Brief nachgedacht“, sagte Hannah. „Ich hatte keine Ahnung, dass er so begabt darin war, Worte zu Papier zu bringen.“
„Ich auch nicht.“ Annabelle lächelte im Stillen. „Bis ich seinen Brief gelesen habe. Ich wusste nur, dass er manchmal etwas schrieb, wenn ich mich schon schlafen gelegt hatte.“
Nachtgeräusche erfüllten die Stille. Grillen, die geschützt in Hannahs Blumenbeeten saßen, zirpten ihre Nachtmusik. Die Espenblätter raschelten im Wind und es hörte sich an, als läge der Klang von tausend winzigen Glocken in der Luft. Annabelle schloss die Augen und lauschte.
Als plötzlich ein Zweig knackte, riss sie die Augen auf.
Es knackte wieder, gleich um die Ecke, an der Seite des Hauses. Wahrscheinlich war es nur ein neugieriger Waschbär, der auf der Suche nach einem Nachtessen war, aber trotzdem … Sie sah in die Dunkelheit hinaus. Sie hatte keine Angst, aber sie war sich nicht mehr sicher, ob sie hier draußen wirklich allein waren. Vielleicht hatte Matthew beschlossen, Patricks Einladung, sich zu ihnen zu setzen, doch anzunehmen. Er hatte heute Abend beim Essen angespannt und nervös gewirkt. Das konnte daher rühren, dass er es nicht erwarten konnte, nach Idaho aufzubrechen, aber das bezweifelte sie.
„Hast du noch irgendetwas über Sadie erfahren und darüber, wo sie sein könnte?“
Hannahs leise Frage legte ein schweres Gewicht auf Annabelles Brust. „Nein. Ich habe gestern im Saloon nachgefragt. Dann bin ich noch einmal ins Bordell gegangen, um mit einigen der Mädchen zu sprechen. Ich habe jeden gefragt, den ich kannte, aber niemand konnte mir etwas sagen.“ Sie lauschte in die
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