Hoffnung am Horizont (German Edition)
vorhersehen konnte. Sie sprachen über etwas und plötzlich hatte er das Gefühl, sie meine etwas ganz anderes. Er hatte Kathryn Jennings versprochen, dass er versuchen würde, ihre „liebe Freundin“ mit anderen Augen zu sehen, aber es würde ihn große Mühe kosten, dieses Versprechen zu halten. Was ihn betraf, war Annabelle Grayson immer noch die Frau, die seinen Bruder getäuscht und manipuliert und Matthew sein Geburtsrecht gestohlen hatte. Er hatte diese Stelle als Scout aus reinem Egoismus angenommen. Er musste Willow Springs verlassen, und sie bot ihm die Möglichkeit, von hier wegzukommen. Außerdem hatte sie etwas, das ihm gehörte, und er hatte vor, es sich zurückzuholen.
Er stapelte eine Kiste auf die andere. „Wir gehen zivilisiert miteinander um, Herr Pfarrer.“
„Das ist es ja gerade, Matthew. Sie sind zivilisiert. Manchmal sind Sie sogar höflich. Aber Sie scheinen es nicht ernst zu meinen.“ Carlson schüttelte den Kopf und seine große Besorgnis war ihm ins Gesicht geschrieben. „Wenigstens habe ich diesen Eindruck.“
Matthew unterdrückte ein Seufzen. Ein starker Schmerz breitete sich von seinem Nacken bis zu seinen Schläfen aus. Das gleichmäßige Pochen wurde noch ein wenig stärker, als er zwei Kisten hochhob und mit Carlson wieder zum Planwagen hinausging.
Er hatte Annabelle an diesem Morgen noch nicht gesehen, aber vor wenigen Minuten hatte er ihr Lachen in der Küche gehört. Zusammen mit der Hälfte der Stadtbewohner, die sie wahrscheinlich geweckt hatte. Sie lachte viel, wenn sie mit Hannah und Kathryn zusammen war. Als er vorhin ihr Lachen gehört hatte, hatte ihn etwas daran eifersüchtig gemacht, obwohl er es sich nicht erklären konnte und es ihm auch überhaupt nicht recht war.
Er schaute zum Haus zurück und hoffte fast, sie wäre nicht rechtzeitig fertig. Er würde ihren Gesichtsausdruck genießen, wenn er sie daran erinnerte, dass sie bei Sonnenaufgang aufbrechen wollten. Allein schon der Gedanke daran hellte seine Stimmung auf.
Carlson lud seine Kisten neben dem Wagen ab und stieß ein lautes Seufzen aus. Matthew wünschte sich ehrlich, er könnte diesem Mann sagen, was er hören wollte.
„Herr Pfarrer, ich verstehe, was Sie meinen. Wenigstens glaube ich, dass ich es verstehe. Und ich verstehe auch Ihre Bedenken. Ich gebe zu, dass es Momente gibt, in denen ich Ihre Sorgen teile. Ich frage mich, ob ich das Richtige tue, wenn ich mit dieser Frau als Scout unterwegs bin. Aber sie hat mich eingestellt, ich habe die Stelle angenommen, und wir brechen innerhalb der nächsten Stunde auf.“ Er zögerte und ließ den Kopf hängen. Das waren nicht die Worte, die er eigentlich hatte sagen wollen. „Sir, es ist, als würden Sie von mir verlangen, etwas zu ändern, was ich tief in meinem Herzen fühle, aber das kann ich nicht. Wenigstens nicht so schnell. Jedes Mal, wenn ich sie anschaue, sehe ich meinen Bruder vor mir, und ich werde daran erinnert, dass …“ Seine Kehle war wie zugeschnürt. Matthew wandte den Blick von Carlson ab und versuchte einzuschätzen, wie viel er preisgeben sollte. Wenn er das Land erwähnte, würde er die Situation nur noch verschlimmern, und ebenso, wenn er Annabelles Geständnis, warum sie Johnny überhaupt geheiratet hatte, anspräche. Es wäre besser, bei der allgemeineren Wahrheit zu bleiben. „Ich werde daran erinnert, dass Johnny nicht mehr zurückkommt. Und ich frage mich unwillkürlich, ob alles anders gekommen wäre, wenn er sie nie kennengelernt hätte. Wenn sie immer noch in diesem Bordell arbeiten würde.“
Carlson ließ sich Zeit mit seiner Antwort. „Sie geben also Annabelle die Schuld für Jonathans Tod?“
Matthew dachte an seine Mutter. War es möglich, dass Johnny genauso gestorben war wie sie? An der gleichen Ursache? Er war sich nicht sicher und wusste, dass er nie das eine oder das andere beweisen könnte. Mit großer Kraftanstrengung gelang es ihm schließlich, als Antwort auf Carlsons Frage den Kopf zu schütteln, weil er wusste, dass der Pfarrer auf diese Reaktion wartete. Annabelle Grayson trug in seinen Augen immer noch eine Mitschuld am Tod seines Bruders.
Carlson sah ihn einen Moment schweigend an. Das Zwielicht der Morgendämmerung verbarg seine Miene. Aber aus seiner Körperhaltung, als er in die Scheune zurückging, schloss Matthew, dass er ihm nicht geglaubt hatte.
Matthew schob ein paar Kisten in den Wagen und wollte hinaufsteigen. Doch dann hielt er noch einmal inne, sah in Richtung Westen und wünschte,
Weitere Kostenlose Bücher