Hoffnung am Horizont
Jahre lang in mir
verschlossen hatte, die ich eigentlich längst für bewältigt gehalten hatte, bricht
mit einer solchen Urgewalt über mich herein, dass ich es nicht mehr aushalte.
Ich weiß nicht, wie lange
ich auf dem Boden gelegen habe, irgendwann habe ich keine Kraft mehr, kann mich
nicht mehr bewegen. Ich schließe die Augen und sperre die Welt um mich herum
aus, verschließe mich komplett gegen sämtliche Eindrücke, gegen alle Gefühle. Auf
einmal höre ich wie durch einen Nebel Schritte hinter mir, ich habe wohl die
Tür nicht geschlossen, aber es ist mir egal, wer da hereinspaziert.
Ich spüre wie von Ferne,
wie ich sanft hochgehoben und auf mein Bett gelegt werde, irgendjemand zieht
mir vorsichtig die Schuhe aus und deckt mich zu, während er leise mit mir
spricht. Mich interessiert nicht, dass derjenige sich zu mir setzt und mir das
Gesicht streichelt. Ich kann nicht mehr und ich mag auch nicht mehr. Irgendwann
schlafe ich ein, wie ein Stein, völlig traumlos und anscheinend stundenlang. Obwohl
es bei meinem Zusammenbruch noch früh am Morgen war, erwache ich in absoluter
Dunkelheit. Ich weiß nicht, wie spät es ist und ich will es auch nicht wissen.
Blicklos starre ich in die Dunkelheit. Irgendjemand ist mit mir im Raum. Er
setzt sich neben mich und murmelt wieder beruhigende Worte, bis ich in einen
unruhigen Dämmerschlaf falle.
Als ich wieder erwache,
ist es hell und ich bin allein. Nur langsam kommt die Erinnerung zurück.
Ungebeten schleicht sich der Streit in mein Bewusstsein und immer wieder
hämmert Gabes Frage vom Parkplatz durch meine Gedanken. „Wann hattest du das
letzte Mal deine Tage?“
Ich kann mir selbst diese
Frage nicht beantworten, ich weiß es nicht. Es kann vor zwei Wochen gewesen
sein, aber genauso gut kann es drei Monate her sein. Ich habe wirklich keine
Ahnung. Die Tür öffnet sich und Gabe kommt herein. Ich stöhne auf. Alle, nur
bitte nicht er! Ich drehe meinen Kopf weg und schließe die Augen, schließe ihn
aus.
„Geh weg!“
Ich kann nicht
weitersprechen. Mein Hals ist vom Weinen rau und tut weh.
„Ich lasse dich nicht
allein, nicht in diesem Zustand. Wenn du mich jetzt wegschickst, rufe ich Annie
an und erzähle ihr alles.“
Das kann er nicht machen!
Wenn Annie mich so sieht, wird sie keine Ruhe geben, bis sie auch das letzte
Fitzelchen weiß. Aber ich habe keine Kraft zu widersprechen und lasse ihn
gewähren. Er zieht mich vorsichtig zum Sitzen hoch und stützt mich mit seinem
kräftigen Körper. Dann hält er mir einen Becher an die Lippen und ich trinke
ohne zu fragen, was es ist. Ich schmecke nur süße, warme Flüssigkeit, anscheinend
ein Tee. Er flößt mir den ganzen Becher in kleinen Schlucken ein, danach legt
er mich wieder hin, zieht die Decke über meine Schultern und ich schließe
erschöpft die Augen. Es geht mir langsam wieder ein bisschen besser, ich weiß
nicht warum, aber irgendwann höre ich mich selbst sprechen.
„Ich weiß nicht, wann ich
das letzte Mal meine Tage hatte, Gabriel.“, sage ich tonlos. Gabe hat mich
anscheinend gehört, denn ich merke, wie er sich neben mir anspannt.
Kapitel 16
„Versuch zu schlafen,
Jules. Wir können später reden.“, sagt er leise und streicht mir über die
Haare. Anscheinend hat er irgendwann meinen Knoten gelöst, denn ich merke, dass
die langen Locken sich auf dem Kissen ausbreiten. Ich bin noch immer so
unendlich müde und schlafe tatsächlich wieder ein. Gabe weckt mich irgendwann
und gibt mir noch so einen stark gesüßten Tee zu trinken. Ich bin so kraftlos,
dass ich den Becher nicht halten kann und er hilft mir wieder. Danach schlafe
ich fast sofort weiter und erwache abermals in absoluter Dunkelheit. Ich bin
allein im Schlafzimmer, anscheinend ist Gabe gegangen. Ich habe Durst, mein
Hals ist wie ausgedörrt. Ächzend rolle ich mich aus dem Bett und wanke in die
Küche. Durch einen Spalt in der Tür sehe ich Licht im Wohnzimmer. Mit einem
Glas Wasser in der Hand gehe ich hinüber und finde Gabe. Er steht am Fenster,
die Hände in die Hosentaschen vergraben und sieht aus dem Fenster in die
Dunkelheit. Sein ganzer Körper wirkt angespannt, wie ein Raubtier auf der Jagd.
Langsam dreht er sich zu mir um und mustert mich, dann geht er zum Sofa und
setzt sich, bedeutet mir, zu ihm zu kommen. Zögernd bleibe ich vor ihm stehen.
Er nimmt meine Hand und führt sie an seine Lippen, haucht einen sanften Kuss
darauf.
„Es tut mir leid.“,
flüstert er leise. In seinen Worten liegt so
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