Hoffnung am Horizont
bremsen. Sofort werde ich ruhiger, er hat mir schon
einmal durch einen Arztbesuch geholfen und er ist auch diesmal für mich da.
Jetzt kann ich es schaffen! Ich weiß, mit Gabe an meiner Seite wird mir nichts
passieren. Er nimmt meine Hand und drückt sie aufmunternd, dann zieht er mich
in die Praxis.
Nach kurzer Wartezeit und
einigen Voruntersuchungen, liege ich im Sprechzimmer auf einer Liege. Gabe ist
kurz nach draußen gegangen, hat aber versprochen, gleich wieder da zu sein. Die
Tür geht auf und er kommt mit der Ärztin herein. Sie hat den Kittel über dem
Arm und hängt ihn als erstes hinter die Tür. Ich sehe zu Gabe hinüber und er
zwinkert mir lächelnd zu. Ich habe keine Ahnung, was er ihr erzählt hat, aber
sie untersucht mich ganz leger in Jeans und einem roten Pullover. Auf einmal
kann ich mich entspannen und ihre Fragen beantworten. Sie tastet meinen Bauch
ab und verteilt dann das durchsichtige Gel darauf, um einen Ultraschall zu
machen. Ich sehe erst nur grauschwarze, verwaschene Bilder und erkenne gar
nichts, bis die Ärztin mir das Baby zeigt. Ich kann sein Herzchen schlagen sehen
und werde von den Gefühlen und der Liebe, die in mir aufsteigen, überrollt.
Dieses kleine Wesen in meinem Bauch ist einfach perfekt. Ich schlucke die
Tränen hinunter, die mir in die Augen steigen. Als ich zu Gabe hochsehe, starrt
er wie gebannt auf den Bildschirm und ich bilde mir ein, er hat auch verdächtig
feuchte Augen.
Mein Baby ist gesund und
munter und ich bin schon in der zehnten Woche, Ende Juli wird unser Baby auf
die Welt kommen. Ausgestattet mit Vitaminen, guten Ratschlägen und einem
Mutterpass sind wir für heute entlassen.
„Gib mir mal dein Handy.“,
verlangt Gabe, kaum dass wir wieder draußen vor der Praxis auf der Straße
stehen.
„Warum?“, frage ich
erstaunt und drücke es ihm in die Hand.
„So etwas wie heute darf
nicht noch einmal passieren. Ab sofort hast du alle meine Nummern und kannst
mich immer und jederzeit erreichen.“, erklärt er und speichert die Nummern in
meinen Kontakten ab.
„Ich habe die SMS vorhin
nur zufällig in der Pause entdeckt und bin sofort losgefahren. Ich würde dich
ja jetzt gern nach Hause bringen, aber ich muss gleich zurück. Sehen wir uns
morgen Abend?“
Ach ja, morgen ist
Silvester, essen und feiern bei Annie und Colin.
„Äh, ja. Sag mal, wo du
die beiden gerade erwähnst…“, stottere ich und weiß nicht recht, wie ich das
Thema ansprechen soll, aber Gabe versteht anscheinend trotzdem, was ich meine.
„Ich weiß es nicht. Ich
wäre dafür, wir sagen ihnen noch nichts. Das ist alles ein bisschen viel auf
einmal, vor allem für dich und ich finde, wir sollten erst einmal selbst damit
klarkommen und uns an den Gedanken gewöhnen. Außerdem haben wir ja noch Zeit,
bis man die Schwangerschaft sieht.“
„Ja, denke ich auch. Vor
allem müssen wir den beiden dann so einiges erklären und ich glaube, auf das
Gespräch muss ich mich in Ruhe vorbereiten.“, stimme ich ihm zu.
Einen Moment stehen wir
nur da und sehen uns schweigend in die Augen, bis Gabe vorsichtig, mit
fragendem Blick, eine Hand an mein Gesicht hebt. Ich kann nicht widerstehen, so
aufgewühlt und gefühlsduselig wie ich gerade bin und schmiege meine Wange in
seine sanfte Berührung ohne meinen Blick von seinen wunderschönen, braunen
Augen zu wenden.
Wie in Zeitlupe beugt er
sich vor und haucht mir einen Kuss auf die andere Wange. Ich spüre seine
Wimpern, die meine Haut kitzeln, als er die Augen schließt, fühle seinen warmen
Atem, rieche seinen ganz eigenen Duft nach Seife, Pfefferminz und Gabe und auch
meine Augen fallen wie von allein zu, um die kurze Gelegenheit der Nähe voll
auszukosten und mit allen Sinnen in mich aufzunehmen. Ganz langsam richtet er
sich wieder auf und fährt noch einmal mit dem Daumen über meinen Mundwinkel
bevor er einen Schritt zurücktritt und sich räuspert.
„Wir sehen uns morgen
Abend, Jules. Pass auf dich auf.“, sagt er heiser und geht dann schnellen
Schrittes in Richtung Krankenhaus davon.
Ich fröstele trotz meines
warmen Mantels und vermisse seine Wärme sofort, als ich ihm hinterher sehe.
Er fehlt mir so
wahnsinnig! Obwohl wir ja nie wirklich zusammen waren, keine Beziehung hatten,
waren die paar Tage nach meinem Unfall mit ihm einfach wahnsinnig intensiv. Aber
so ist das wohl, wenn man verliebt ist. Ich frage mich, ob ich es jemals
schaffe, über ihn hinwegzukommen oder gar einen anderen Mann zu lieben, ohne
ihn immer mit Gabe zu
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