Hoffnung am Horizont
Lügengeschichte, das schlechte Gewissen rumort in meinem Bauch
und ich sehe zu, dass ich mich bald verabschiede. Immerhin scheint Annies
Neugier befriedigt zu sein, zumindest akzeptiert sie meine Erklärung.
Das Wetter jetzt im Januar
ist scheußlich grau, überall liegt Schnee und Matsch, der Winter ist sowieso
nicht meine liebste Jahreszeit. Ich finde es ganz furchtbar, morgens im Dunkeln
aufzuwachen und den ganzen Tag über keine wirkliche Helligkeit zu erleben. Aber
dieses Jahr macht es mir nicht ganz so viel aus, wie sonst und es geht mir gut.
Ich glaube, so ganz
allmählich komme ich über Gabe hinweg. Wir telefonieren regelmäßig oder
schreiben uns SMS. Er freut sich über jedes Gramm, dass ich zulege. Mittlerweile
sind es schon zwei Kilo und das erste Mal in meinem Leben, bin ich froh
darüber. Ich fange an, die Schwangerschaft zu genießen und habe auch Chris
mittlerweile eingeweiht, Colin hatte es natürlich sofort von Annie erfahren,
aber Chris ist der Einzige, der weiß, wer wirklich der Vater meines Babys ist. Er
hat mir hoch und heilig versprochen, nichts zu sagen bevor ich nicht bereit
dazu bin. Das Joggen musste ich natürlich aufgeben, mir war die Gefahr zu groß,
noch einmal zu stürzen und womöglich das Baby zu verlieren. Die anfängliche
Müdigkeit hat sich zum Glück gelegt und ich genieße meine Schwangerschaft jetzt
in vollen Zügen. Ständig erwische ich mich dabei, wie meine Hände über meinen
Bauch streicheln und ich in Gedanken mit meinem Baby spreche. Ich bin vielleicht
ein klein wenig verrückt, aber ich erzähle ihm alles, was ich mache und
schmiede jede Menge Pläne für die Zeit, wenn dieses kleine Wesen endlich auf
der Welt ist. Zwischendurch hab ich zwar noch immer Angst, was die Zukunft so
bringt, was mich erwartet, ob ich alles richtig machen werde, aber wenn man
diesen Internetforen glauben darf, geht es wohl allen werdenden Müttern so.
Wenn die Angst zu groß wird, widme ich mich meinen Listen und durchforste die
Wohnungsangebote hier in der Stadt. Ich bin trotz aller Widrigkeiten so
glücklich, wie noch nie zuvor.
Bis ich eines Tages
morgens von Bauchkrämpfen geweckt werde. Ich bleibe einen Moment ganz still
liegen und horche in mich hinein. Der Schmerz kommt wie in Wellen und ich
versuche möglichst flach zu atmen, um ihn nicht zu verschlimmern. Es
funktioniert, nach ein paar Minuten wird es besser und ich rolle mich
vorsichtig aus dem Bett. Kaum stehe ich aufrecht und mache die ersten Schritte
in Richtung Badezimmer, da fühle ich, wie es mir feucht die Beine hinunterläuft.
Ich fasse unter mein
Schlafshirt und tatsächlich!
Ich blute.
Kapitel 19
Wie gelähmt stehe ich da
und starre auf das Rot an meinen Fingern. Ich blute tatsächlich. Ich weiß
nicht, was ich tun soll. Plötzlich kommt der Schmerz krampfartig zurück und ich
hocke mich hin, mache mich so klein, wie ich kann. Die Arme fest um meinen
schmerzenden Bauch geschlungen, die Knie so dicht es geht an meinen Körper
gezogen, warte ich panisch ab, bis es besser wird. Dann haste ich zu meinem
Handy, das auf dem Nachtisch liegt. Mir zittern die Hände und ich drücke wie
wild auf den Tasten herum, bis ich finde, wonach ich suche und wähle.
„Hey Jules, was gibt es?“,
höre ich Gabes verschlafene Stimme. Mir fällt zu spät wieder ein, dass er
gerade erst aus der Nachtschicht gekommen ist, aber es ist mir in diesem Moment
egal. Ich habe nur noch panische Angst, mein Baby zu verlieren und schluchze
laut auf.
„Gabe…“, heule ich ins
Telefon und Sturzbäche an Tränen rollen über meine Wangen.
Auf einmal scheint er
hellwach.
„Was ist los, Jules?“
„Bring mich ins
Krankenhaus. Das Baby…“
Jetzt ist er alarmiert. Er
weiß genau, dass ich niemals freiwillig einen Fuß da hinein setzen würde.
„Ich bin sofort da. Jules,
leg nicht auf, ich bleibe bei dir. Kannst du mir sagen, was passiert ist?“
Ich kann nur noch
schluchzen.
„Krämpfe… Blut…“, stottere
ich.
Er scheint mich zu
verstehen, denn er gibt mir mit ruhiger Stimme Anweisungen. Ich öffne die Haustür
und lege mich wieder ins Bett, so wie er es mir sagt. Das Telefon halte ich
fest umklammert, seine Stimme am anderen Ende kommt mir vor wie ein
Rettungsanker und egal wie viel Angst ich gerade habe, Gabe schafft es, dass
ich mich zumindest ein kleines bisschen beruhige. Er spricht die ganze Zeit mit
mir, während ich im Hintergrund höre, wie er ins Auto steigt und den Motor
anlässt. Er scheint alle roten
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