Hoffnung am Horizont
Fenstern rechts und links der großen
Eingangstür. Das Obergeschoss ohne Dachschrägen ist ein wenig kleiner, sodass
ein Dachvorsprung, wie bei einer toskanischen Villa, entsteht. Um das komplette
Haus läuft eine Veranda und vorne neben der Haustür stehen eine
Hollywoodschaukel mit himmelblau und weiß gestreiftem Bezug und ein kleiner
dunkler Holztisch daneben. Großzügige, von einer dünnen Schneeschicht bedeckte
Rasenflächen umrahmen das Haus und hohe Zypressen spenden im Sommer sicher
angenehmen Schatten. Rechts, halb hinter dem Haus, entdecke ich einen Pavillon,
von Rosen berankt. Eine hohe Mauer schützt das Grundstück vor allzu neugierigen
Blicken und nur durch das Eisentor, an dem ich stehe, kann man einen Blick auf
die breite Kieseinfahrt erhaschen.
Selbst ohne es jemals von
innen gesehen zu haben und in diesem, allmählich dunkler werdendem Winterlicht
sieht das ganze Haus aus, wie ein Traum, wie in einem Märchen.
Ich spüre Waltons Schwanz,
der wie wild gegen meine Beine schlägt und versuche den Blick von diesem
Traumhaus loszureißen, als ich direkt an meinem Ohr eine leise Stimme höre.
„Willst du mit
reinkommen?“
Überrascht und erschreckt
gleichermaßen zucke ich zusammen, drehe mich um und sehe in Gabes lachende
Augen. Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht schießt, weil er mich beim Spionieren
erwischt hat.
„Ich, äh…“
Sofort verstumme ich
wieder, ich habe keine Rechtfertigung für mein Tun.
„Hey, entspann dich! Ich
hab kein Problem damit, dass du mein Haus sehen wolltest.“
Meine Gesichtsfarbe
verdunkelt sich um eine weitere Nuance, so peinlich ist mir das Ganze, aber
Gabe nimmt mich nur am Arm und führt mich zu seinem SUV, der direkt hinter mir
steht. Ich war so vertieft, dass ich den Motor gar nicht gehört habe. Oh Boden,
tu dich auf! Wortlos schiebt er mich auf den Beifahrersitz und Walton in den
Kofferraum und fährt durch das große Tor, das er mit einer Fernbedienung
geöffnet hat. Sekunden später stehen wir vor dem Haus und steigen wieder aus.
Als Gabe den Schlüssel ins Schloss steckt und die Tür öffnet, finde ich meine
Sprache wieder.
„Was machst du hier?“
Blöde Frage Jules, es ist
SEIN Haus! Statt einer Antwort ernte ich auch prompt eins dieser volltönenden
Lachen, dass in meiner Brust ein Vibrieren auslöst.
„ Wie findest du das
Haus?“
„Wie ich es finde? Es ist
großartig! Es ist das schönste Haus, das ich je gesehen habe und jetzt, wo ich
hier drin bin, gefällt es mir noch viel besser.“
Bewundernd schweift mein
Blick über die, zwar recht spartanische, aber doch geschmackvolle Einrichtung.
Man sieht, hier wohnt ein Mann. Solche Sachen, wie Kissen auf der cremefarbenen
Couch oder dem dazu passenden Ohrensessel oder sonstige Accessoires fehlen
komplett, nur drei Bilder hängen an einer Wand, große gerahmte Fotodrucke aus
der Umgebung von Boothbay Harbor. Dennoch ist es gemütlich eingerichtet und einladend.
Ich fühle mich sofort wohl, fast wohler, als in meiner eigenen Wohnung, die ja
lange Zeit nur ein vorübergehender Unterschlupf war, wenn ich von einer meiner
vielen Reisen zurück kam und bevor ich wieder weg musste. Auch ich habe mir früher
nie viel Mühe mit der Einrichtung gegeben.
Weiß ist in allen Räumen
die vorherrschende Farbe, nur unterbrochen durch verschiedene Braun- und
Terrakottatöne. Nachdem ich mich ein paar Minuten lang staunend umgesehen habe,
bemerke ich, wie Gabe mich grinsend mustert.
„Es gefällt dir
tatsächlich hier?!“
Er scheint ehrlich erstaunt
darüber.
„Ja, warum nicht? Alles
ist so hell und freundlich und viel weitläufiger, als in meiner Wohnung.“
„Dann zieh doch hier ein.“
Äh, wie bitte? Hab ich das
gerade richtig verstanden?
„Du hast mich schon verstanden,
Jules. Zieh bei mir ein. Das Haus ist viel zu riesig für mich allein und du
hättest hier ein eigenes Zimmer und sogar ein eigenes Bad, wenn du das
möchtest. Walton könnte im Garten toben und du müsstest nicht mehr so viel mit
ihm spazieren gehen, damit er genug Auslauf hat. Ich will dich nicht einengen
und ich habe verstanden, was du mir neulich sagen wolltest, aber ich möchte
wissen, dass es dir gut geht. Immer.“
Okay, definitiv alles
Punkte, die dafür sprechen. Aber mit Gabe unter einem Dach? Wortlos starre ich
ihn an, denke über sein Angebot nach. Hier wohnen? Jeden Tag und jede Nacht in
seiner Nähe? Das schaffe ich nicht! Allein der Gedanke daran macht mir Angst
und ich spüre, wie mein Herzschlag
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