Hoffnung am Horizont
Deshalb war er vorgestern Morgen so schnell
hier, selbst zu Fuß hätte er nicht länger gebraucht. Die Townsend Avenue ist
eine ziemlich noble Gegend, da stehen nur große Einfamilienhäuser und Villen
mit prächtigen, von den besten Gärtnern gepflegten Gärten. Eine ruhige
Wohnstraße ohne Durchgangsverkehr und doch nur wenige Gehminuten von der
Innenstadt, dem Hafen und dem Strand entfernt. Nachdenklich schiebe ich die
verbliebenen Reiskörner auf meinem Teller hin und her, bis Gabe mir die Gabel
aus der Hand nimmt und die Teller in die Spülmaschine räumt.
Ich schaue auf die
Tischplatte und in meinem Kopf erscheinen ungebetene Bilder von ihm und mir, in
einem dieser Gärten. Wir liegen im Schatten unter einem blühenden Apfelbaum auf
einer rotkarierten Decke, neben uns ein schlafendes Baby mit Gabes dunklen
Haaren. Er nimmt meine Hand und… ich schüttele den Kopf um diesen Tagtraum zu
verscheuchen. Gabe hockt vor mir und hat tatsächlich meine Hand genommen und
sieht mich durchdringend an.
„Wovon hast du denn
geträumt?“, fragt er leise. Wieso weiß er eigentlich ständig, was gerade in mir
vorgeht?
„Ach nichts.“, ich will
ihm schnell meine Hand entziehen, aber er hält sie fest, bis ich ihm in die
Augen sehe.
„Es tut mir leid, Jules.
Ich wollte dich nicht bevormunden. Ich möchte einfach nur sicher gehen, dass es
dir und dem Baby gut geht. Ich möchte…“ Unsicher fährt er sich mit der freien
Hand durch die langen Haare. „Ich möchte für euch da sein.“
„Aber doch nicht, indem du
mich einengst.“, flüstere ich.
Abrupt lässt er meine Hand
los und steht auf. An der Tür zum Flur dreht er sich noch einmal um und sieht
mich traurig an.
„Es tut mir leid, das
wollte ich nicht. Ich geh dann mal.“
Ich nicke nur, sprechen
kann ich gerade nicht. Ein Kloß blockiert meinen Hals und ich habe ein
schlechtes Gewissen, weil ich ihn gerade so abgebügelt habe, dabei glaube ich
ihm, dass er nur das Richtige machen will.
Kapitel 21
Ich genieße die nächsten Tage
und mache es mir mit einem Buch und einer Tasse Tee bequem oder sehe fern. Draußen
herrscht ein ekliger Schneeregen, weshalb sogar die Spaziergänge mit Walton ein
wenig kürzer ausfallen als sonst. Ich habe nichts mehr von Gabe gehört und das
schlechte Gewissen plagt mich jeden Tag mehr. Ich weiß, ich hätte ihn nicht so
abservieren dürfen. Er meint es doch nur gut. Ich beschließe nachmittags, mit
Walton ein bisschen durch die Stadt zu schlendern, die Sonne scheint heute
ausnahmsweise einmal und das möchte ich ausnutzen und vielleicht nach den
ersten Babysachen schauen. Bisher habe ich noch nicht ein Teil für das kleine
Würmchen und auch meine Hosen werden jetzt langsam eng am Bauch. Ich brauche
wohl doch ein paar Umstandsjeans.
Also schnappe ich mir die
Hundeleine und rufe nach meinem Hund.
In einer kleinen Boutique
nur ein paar Straßen von meiner Wohnung entfernt werde ich auch schon fündig.
Ich entdecke ein wunderschönes Mobile aus Holz mit kleinen Tieren daran,
puppenkleine Kleidung für Neugeborene und Schnuller in allen Farben. Ich kann
kaum widerstehen und nur die Tatsache, dass ich die ganzen Sachen nach Hause
schleppen muss, hält mich davon ab, den halben Laden leer zu kaufen. Irgendetwas
hat sich verändert, seitdem ich neulich mit Annie los war. Letztlich entscheide
ich mich nur für zwei Umstandsjeans, kleine bunte Babysöckchen und einen
Babybody mit der Aufschrift „Daddys Liebling“. Den möchte ich Gabe schenken,
weil ich jetzt schon merke, wie sehr er dieses Kind vergöttert.
Wieder auf der Straße sehe
ich mich um. Wenn ich jetzt nach links abbiege, lande ich bald wieder bei
meiner Wohnung, gehe ich nach rechts ist der Weg länger, führt aber fast an der
Townsend Avenue vorbei. Das Wetter ist schön, die Sonne scheint noch immer und
die Luft ist zwar kalt aber wunderbar klar und ich habe keine Lust, schon
wieder in meine einsame Wohnung zurückzukehren. Außerdem bin ich ein ganz klein
wenig neugierig. Also nach rechts!
Innerhalb von Minuten
erreiche ich die Townsend Avenue und finde auch die Nummer 58 ohne Probleme.
Davor bleibe ich dennoch wie angewurzelt stehen und denke noch einmal nach. 58
hat er gesagt, oder? Ja, ich bin mir sicher. 58.
Ich kann es kaum glauben,
dieses Haus ist das schönste der ganzen Straße. Auch wenn es keine riesige
Villa ist, so entspricht es doch schon auf den ersten Blick absolut meinem
Geschmack.
Es ist aus weißem
Sandstein gebaut, mit bodentiefen
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