Hoffnung am Horizont
sich beschleunigt. Ich habe mich gerade so
von meinen Gefühlen zu ihm distanziert, einen Schutzwall um mein Herz gezogen,
hier einzuziehen würde alles wieder hochkommen lassen.
„Nein! Ich kann nicht!“
Ich gehe ein paar Schritte
Richtung Haustür, wie, um meine Aussage zu unterstreichen. Ich muss hier weg.
„Bitte Jules. Ich möchte
doch nur für dich da sein.“
Wenn er mir jetzt zu nahe
kommt, mich weiter aus diesen braunen Schokoaugen so flehend ansieht, breche
ich ein, dann werfe ich mich ihm an den Hals und das ist eine ganz schlechte
Idee. Kopfschüttelnd ziehe ich mich weiter zurück, halte meine Einkaufstüte wie
ein Schutzschild vor die Brust gepresst.
„Nein Gabe, es geht nicht.
Ich…“
Noch ein Schritt nach hinten,
dann habe ich die Tür erreicht. Gabe kommt auf mich zu, ich spüre schon die Türklinke
im Rücken und taste danach, reiße sie auf.
„Es tut mir leid, Gabe. Ich
muss jetzt gehen. Walton komm!“
Dann drehe ich mich um und
hetze über die lange Einfahrt in Richtung Straße. Am Tor drehe ich mich noch
einmal um, Gabe steht noch immer in der Haustür und sieht mir hinterher. Er
sieht enttäuscht aus, traurig, aber ich nehme vor Angst nichts mehr um mich
herum wahr und gehe so schnell ich kann nach Hause.
Die ganze Nacht wälze ich
mich schlaflos in meinem Bett hin und her. Immer wieder gehen mir Gabes Worte
durch den Sinn. „Dann zieh doch hier ein.“ Aber warum? Okay, er hat ziemlich
deutlich gemacht, dass er sich um das Baby kümmern möchte. Sieht er es als
seine Pflicht an, sich auch um mich zu kümmern? Ich brauche ihn nicht! Ich
komme allein klar! Aber ist es wirklich nur das Pflichtbewusstsein, das ihn zu
der Frage veranlasst hat? Ich habe keine Ahnung, was in ihm vorgeht. Wir sind
Freunde, hat er einmal gesagt. Aber sind wir das wirklich? Kann ich rein
platonisch mit ihm befreundet sein, obwohl ich ihn liebe?
Ich liege auf dem Rücken
und starre an die Decke, durch die Jalousien dringt silbriges Mondlicht und
wirft Streifen an die Decke. Meine Hände streichen wie selbstverständlich über
meinen Bauch und ich halte in Gedanken Zwiesprache mit dem Baby. Was soll ich
nur machen? Wie geht es weiter mit Gabe?
Im Morgengrauen gebe ich
es auf, schlafen zu wollen und koche mir einen Tee. Gehüllt in eine dicke
Strickjacke über meinem Schlafanzug und mit Wollsocken an den Füßen sitze ich
in der Küche und sehe dem Sonnenaufgang zu. Mein Blick wandert immer wieder zur
Uhr an meinem Herd bis es irgendwann halb neun ist. Annie hat gerade Lilly in
den Kindergarten gebracht und dürfte, nach ihrer morgendlichen Runde zum
Coffeeshop, wieder zu Hause sein. Ich brauche jetzt meine beste Freundin,
vielleicht kann sie mir einen Rat geben?
Ich greife zum Telefon und
rufe sie an. Schon nach dem ersten Klingeln höre ich ihre Stimme und kann mir
einen erleichterten Seufzer nicht verkneifen.
„Hey Jules! Was gibt es,
dass du um diese Zeit schon anrufst?“
Sie kennt mich gut und
weiß genau, dass ich nicht anrufen würde, wenn es nicht wichtig wäre.
„Gabe will, dass ich bei
ihm einziehe.“, sage ich ohne Umschweife.
„Oh…Okay! Wie kommt das
denn jetzt so plötzlich?“
Schnell erzähle ich von
meinem peinlichen Auftritt gestern Nachmittag, wie ich vor seinem Haus stand
und er mich beim Spionieren ertappt hat.
„Weißt du Jules, ich
glaube er meint es nur gut. Er hat wahrscheinlich keine Ahnung, in welchen
Gefühlskonflikt er dich damit stürzt. Er möchte, glaube ich, wirklich nur für
dich da sein und dich soweit wie möglich unterstützen. Ich denke, er will dir
zeigen, dass er immer für dich und das Baby da ist.“
„Aber das weiß ich doch!“
Ja, wenn ich eines über Gabe
weiß, dann das. In den letzten Monaten hat er ja mehrfach bewiesen, dass ich
mich auf ihn verlassen kann. Er war immer für mich da, wenn ich ihn brauchte,
egal, wie wir uns gerade verstanden haben.
„Aber das reicht mir
nicht. Im Gegenteil, wenn ich bei ihm einziehe und ihn jeden Tag sehe, macht es
alles nur noch schlimmer. Dann wird mir jeden Tag vor Augen geführt, was ich
nicht mit ihm haben kann.“
„Vielleicht. Vielleicht
aber auch nicht. Es könnte doch auch sein, dass er dadurch endlich merkt, was
er für dich empfindet.“
„Und wenn nicht?“
„Dann kannst du immer noch
wieder ausziehen. Es redet ja keiner davon, dass du deine Wohnung aufgibst.“
„Ich kann das nicht, aber
ich weiß nicht, wie ich ihn von der Idee abbringe. Gestern bin ich regelrecht
vor ihm
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