HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
Amazone, und sie würde ihn noch mehr verachten, wenn er es nicht schaffte, sich im Sattel zu halten. Erst wenn er dieses Problem im Griff hatte, würde er es wagen, sie zu einem gemeinsamen Ausritt einzuladen.
Vor der Tür zu Emmas Schlafgemach zögerte er. War es erst ein paar Stunden her, dass er sie verlassen hatte, zusammengerollt auf der anderen Seite des großen Bettes, so weit wie möglich entfernt von ihrem neuen Ehemann?
Er klopfte und trat ein, ohne ihre Aufforderung abzuwarten.
Das Zimmer war leer.
Das Bett war frisch gemacht und die Vorhänge zurückgezogen. Ein schwerer Morgenmantel lag am Fußende, das Nachtgewand war nicht zu sehen.
Hugo erinnerte sich, wie es sich angefühlt hatte – dünn, geschmeidig, mit viel Spitze vorn und hinten. Er wünschte sich, darauf geachtet zu haben, wie sie darin aussah, doch dafür hatte er sich keine Zeit genommen. Er wollte ihre nackte Haut spüren. Hatte er das Hemd zerrissen? Vermutlich. Es war so zart gewesen – genau wie sie.
Aber er konnte sich unmöglich für die vergangene Nacht entschuldigen. Die leiseste Andeutung des hastigen und groben Beischlafs wäre Emma vermutlich maßlos peinlich. Lediglich für sein Verhalten in der Bibliothek würde er sie um Verzeihung bitten.
Er überlegte einen Moment, wie er vorgehen würde. Es war leicht zu entscheiden, was er ihr alles nicht sagen würde. Von Forster konnte er ihr unmöglich erzählen. Und von Kits Schulden auch nicht. Er würde ihr einfach erklären, dass er mit Kit nach London fuhr und sie allein nach Lake Manor reisen musste. Vermutlich wäre sie froh über etwas Zeit für sich. Das war er ebenfalls. Wenn er nicht bei ihr war, konnte er nicht in die Versuchung geraten, ihr Bett aufzusuchen, und davon Abstand zu halten, hatte er sich fest vorgenommen. Dafür sollte sie ihm dankbar sein – wenn sie davon wüsste.
Als er aus dem Fenster sah, stellte er fest, dass Richard und seine Gäste sich nach wie vor auf dem Rasen aufhielten. Nur Emma war nirgends zu sehen. Sie musste irgendwo im Haus sein – allein.
Hugo begann systematisch, die Zimmer nach ihr abzusuchen, ohne seine Frau indes zu finden. Wo konnte sie sein?
Als es ihm einfiel, stöhnte er auf. Lady Hardinges Gewächshaus! Dort, wo er das erste Mal über sie hergefallen war. Damals hatte sie geschäumt vor Wut, und das würde jetzt vermutlich wieder passieren.
Er ging die Treppen hinunter und den Korridor entlang. Dann schaute er durch die Glastür. Keine Spur von ihr.
Er öffnete die Tür möglichst geräuschvoll, damit sie ihn hören konnte. Anschleichen wollte er sich auf keinen Fall. „Emma?“, fragte er leise. Keine Antwort. Vielleicht hatte er zu leise gesprochen. „Emma?“, wiederholte er, diesmal etwas lauter.
Hinter dem Gewirr exotischer Pflanzen bemerkte er eine Bewegung. Eine zierliche blonde Gestalt in einem hellen Musselinkleid schob die Blätter zur Seite. Zwischen dem tiefen Grün schien Emma von überirdischer Schönheit. Hugo stockte der Atem.
Sie sah ihn an. Ihre Augen waren so blau wie der Himmel über Spanien.
„Ich bin hier, Major“, sagte sie.
18. KAPITEL
Das war das Letzte, was Hugo erwartet hatte. Was zum Teufel war nur los mit ihr? Warum nannte sie ihn nicht beim Vornamen? Sie waren verheiratet.
Er betrachtete ihre reglose Gestalt und versuchte, sich an alle Gespräche zu erinnern, die sie geführt hatten, seit sie Mann und Frau waren. Vor dem Altar hatte sie die Worte des Kaplans wiederholt und ihn mit Hugo angesprochen, indes konnte er sich nicht erinnern, dass sie es auch nur ein einziges Mal danach getan hätte. Tatsächlich hatte sie ihn überhaupt nicht angeredet.
Bis jetzt.
Doch das würde sich ändern. Jetzt gleich.
„Um Himmels willen, Emma. Du bist meine Gemahlin, nicht mein Lakai. Ich heiße Hugo.“
Zu seinen leidenschaftlich hervorgebrachten Worten nickte sie nur kühl. „Wie du meinst.“ Sie rührte sich nicht.
Hugo zwang sich, stehen zu bleiben, den Abstand zwischen ihnen zu wahren. Er schloss lediglich die Tür hinter sich.
„Ich musste meine Pläne ändern, Emma. Wegen einer dringenden Familienangelegenheit werde ich mit Kit nach London reisen. Wir müssen sofort los.“
Emmas Miene hellte sich auf. War sie so froh darüber, ihn loszuwerden?
„Ich werde dir nach Lake Manor folgen, sobald ich kann“, sagte Hugo und mied ihren Blick. „Es wird höchstens ein paar Tage dauern.“
„Aber ich kenne niemanden dort“, rief sie aus, „und ich weiß überhaupt nichts über
Weitere Kostenlose Bücher