HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
ihren Lippen brannte. Er begehrte sie, ohne Zweifel, aber er schien seine Gefühle mit aller Macht zu bekämpfen. Er wollte sie nicht. Das war so entwürdigend.
In London würden sie wieder zusammen sein. Dort hätten sie Gelegenheit, diese Dinge zu klären. Oder nicht? Ein Aufenthalt bei Mrs. Warenne würde nichts leichter machen, um es vorsichtig auszudrücken. Und dann war da Kit. Musste sie sich mit ihm unterhalten? Er würde sicher viel Zeit mit ihnen verbringen. Allmählich dachte Emma, dass London eher keine Lösung war. Lake Manor mochte trotz aller Abgeschiedenheit mehr Reize bieten, als sie sich vorgestellt hatte.
Hugo trat vor und nahm ihre Hände. Er küsste erst die eine, dann die andere, dann hielt er sie beide fest und sah ihr tief in die Augen. Schließlich beugte er sich vor und küsste sie auf die Wange.
„Ich treffe dich in ein oder zwei Tagen bei deiner Tante.“
Emma nickte. „Ich hoffe, du wirst dort mit mir wohnen?“
„Natürlich“, versicherte Hugo ruhig. „Ich habe keine Lust, dem Klatsch weitere Nahrung zu geben, da kannst du sicher sein. Versuch, dich auf der Reise nicht zu überanstrengen, meine Liebe. Du weißt, dass keine Eile vonnöten ist.“
Irgendetwas sagte Emma, dass es wichtig war, so bald wie möglich wieder an der Seite ihres Mannes zu sein, aber es war kaum mehr als eine vage Ahnung. Er hatte ihr die Gründe nicht genannt, die zu dieser Hast führten. Die Geschichte mit dem Geld, das Kit angeblich brauchte, weil er ins Ausland ging, stimmte nicht, davon war sie überzeugt. Zumindest ging es nicht allein darum.
Hugo hielt noch immer ihre Hände. Es fühlte sich gut an. Tröstlich und warm. Sie wünschte, er hätte gewartet, damit sie gemeinsam reisen konnten. Der Gedanke, ihn allein fahren zu lassen, bereitete ihr Sorge.
Der Augenblick schien eine Ewigkeit zu dauern, doch schließlich ließ er sie los.
„Auf Wiedersehen, Emma“, sagte er leise. In seinen Augen lag die Andeutung eines Lächelns. Als er sich umwandte, um zu gehen, hatte Emma das Gefühl, seine Berührung unvermindert auf ihrer Haut zu spüren. Er hatte mit den Daumen über ihre Handflächen gestrichen, und es hatte sich wunderbar angefühlt. Wie ein seltsames Prickeln, das auch jetzt anhielt.
Sie schob die Hände in die Falten ihres Rocks.
Die Kutsche setzte sich in Bewegung, und innerhalb weniger Minuten preschten die Pferde auf die Tore zu. Gleich würden sie außer Sichtweite sein.
Emma raffte ihre Röcke und hastete ins Haus. Wenn sie sich beeilte, würde sie vom Schlafzimmerfenster aus einen Blick auf die Chaise erhaschen, ehe sie das Anwesen verließ. Außer Atem erreichte sie ihr Gemach, und sie wurde nicht enttäuscht. Das Gefährt fuhr die Auffahrt hinunter. Hugo hatte den Arm auf das offene Fenster gelegt, seine Hand hob sich hell vor dem dunklen Holz ab. Und dann verschwand die Barouche hinter den Bäumen.
Noch immer hatte sie das Gefühl, die Wärme seiner Hände zu spüren.
Vorsichtig öffnete sie die Verbindungstür zu Hugos Gemach, blieb jedoch auf der Schwelle stehen. Es gab keinen Grund, es nicht zu betreten, trotzdem fühlte sie sich wie ein Eindringling. Dies war sein Reich. Sie hatten es nie geteilt. Es war das Zimmer eines Mannes, es roch sogar maskulin – nach Rasierseife, Tabak, einem Hauch von Kölnisch Wasser. Sie trat ans Bett und ließ sich zaghaft auf der Kante nieder. Hier hatte ihr Gemahl geschlafen.
Sie streckte den Arm aus und strich über Hugos Kopfkissen. Bald würden die Hausmädchen kommen und alles frisch beziehen. Dann wäre sein Duft verschwunden. Er wäre gänzlich fort von ihr.
Emma legte sich auf die Matratze, die Wange auf dem Kissen. Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Nur einen Moment lang wollte sie sich vorstellen, dass er noch da war, dass er gleich zu ihr kommen würde, sie in die Arme nahm und ihr sagen würde, dass er sie liebte. Emma wusste, dass es ein Traum war, doch es war ein schöner Traum …
„Emma? Ach, hier bist du.“ Jamies leise Stimme klang besorgt.
Emma öffnete die Augen und sah die runde Gestalt ihrer Freundin in der Verbindungstür stehen. Hastig setzte sie sich auf und versuchte, möglichst gelassen zu wirken. Was würde Jamie nur von ihr denken, wenn sie mit geschlossenen Augen auf Hugos Bett lag und sein Kopfkissen streichelte? Sicher würde sie glauben, Emma habe den Verstand verloren.
„Ich wollte dich fragen, ob du Hilfe brauchst. Ich hörte, du willst morgen nach London aufbrechen.“ Jamies Worte
Weitere Kostenlose Bücher