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Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Levison
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abhängig du von ihren mickrigen Zugeständnissen bist. Ich bin mir allerdings sicher, dass mich meine Körpersprache verrät, zumal es ja kein Geheimnis ist, wie sehr wir alle darauf aus sind, rauszukommen. Kein Säugetier will den ganzen Tag in eingedostem Zustand verbringen. Sie öffnen die Tür und bringen mich in einen Käfig im Freien, wo ich in der Sonne stehen und einigen echten Todeszelleninsassen zusehen kann, wie sie ihre Kreise ziehen.
    Im Augenblick sind wir hier zu sechst, ich selbst darf mich aber noch nicht unter die anderen mischen. Der Kontakt mit den anderen gilt als Privileg! Auf unserem Spielplatz sind mehrere Käfige aufgestellt, in einem davon befinde ich mich und beobachte die anderen fünf Häftlinge: zwei Schwarze, die gemeinsam abseits stehen, ein Weißer, der auf einer Art Tribüne sitzt und vor sich hin starrt, dann noch ein Weißer und ein Mexikaner, die tatsächlich befreundet zu sein scheinen. An meinem ersten Tag im Käfig hatte der Weiße was gesagt, worüber der Mexikaner lachte – da kam mir zu Bewusstsein, dass ich einen solchen Laut seit Tagen nicht gehört hatte.
    Heute kommt der Mexikaner zu meinem Käfig rüber und starrt mich an. Ich starre zurück. Er ist oben ohne und mit Tätowierungen übersät.
    »Wann lassen die dich aus dem Käfig, Mann?«, fragt er.
    »Das musst du schon die fragen.«
    »Seit einer Woche bist du da drinnen, Mann. Was zum Teufel soll das?«
    Was zum Teufel, allerdings. Ist eine Woche eine lange Zeit? Mir fehlt das Zeitgefühl. Vielleicht gab’s da was im Psycho-Test, das sie beunruhigt hat. Vielleicht war meine Antwort auf die »Fluchen-bei-Zehen-anhauen«-Frage für die ja auch ein sicherer Hinweis darauf, dass einer wie ich ein wenig mehr Käfig gebrauchen kann …
    »Wie lange warst denn du im Käfig?«, frage ich ihn. Er lächelt ziemlich irre und trollt sich.
    Die Wärter kommen raus und bringen uns einzeln in die Zellen zurück. Jeder Gefangene muss von zwei Wärtern begleitet werden, und da uns pro Schicht nur immer drei Wärter zugeteilt sind, müssen wir während der Rückführungen in die Zellen einzeln in Käfigen warten. Wenn einer sich blöd aufführt, weil er in den Käfig oder zurück in die Zelle muss, ziehen sie uns die Zeit, die dafür verschwendet wird, am nächsten Tag von der Ausgangsstunde ab, in der Hoffnung, dass wir den Kerl selbst Mores lehren und sie sich nicht die Hände schmutzig machen müssen. Wenn es dann tatsächlich zu Strafaktionen unter den Gefangenen kommt, schauen die Wärter in die andere Richtung.
    Unruhestifter sind ja nirgends beliebt.
    Am Ende meiner ersten Woche beginnt es zu regnen, während wir in den Käfigen stecken. Einer der Schwarzen fängt an, einen Gospelsong über den Regen zu singen. Seine Stimme ist tief und getragen und melodisch, und sie nährt in mir die Hoffnung, dass irgendwer irgendwo draufkommen wird, dass sie mit mir den Falschen erwischt haben. Ich spüre einen Schub von Optimismus. Ich wünschte, ich könnte diesen Mann von meiner Zelle aus singen hören. Als sie ihn gefesselt an meinem Käfig vorbeiführen, ruf ich ihm zu: »Hey, Mann, coole Stimme!«
    »ACH HALT DOCH DEINE VERDAMMTE KLAPPE!«, schreit er mich an und schlürft weiter in Richtung der Tür, jetzt ohne zu singen.
     
    Am Tag acht lassen sie mich aus dem Käfig. Als zur Halbzeit der Pause der Wärter kommt, um meinen Käfig aufzusperren, fühle ich mich wie ein Wolf oder ein Bär, der aus dem Gehege wieder in die Wildnis entlassen wird. Er sperrt einfach auf und geht weg, und mir kommt sofort der paranoide Gedanke, es könnte sich um eine Falle handeln. Wenn ich die Käfigtür aufstoße, würde einer der Wärter im Wachturm mich mit seinem Präzisionsgewehr niederstrecken. Also beschließe ich, zunächst mal weiter im Käfig rumzuhängen. Dabei stelle ich mir vor, wie der Typ im Wachturm immer frustrierter wird. Dann kommt Ernie rüber und sagt: »Hey, du Arschgeige, die haben deinen Käfig aufgesperrt. Was ist los mit dir, haste ne Schraube locker?« Offenbar musst du schon ein echter Idiot sein, wenn du freiwillig in einem Käfig sitzen bleibst.
    Ernie ist der Mexikaner, der der Frage ausgewichen war, wie lange er selbst nicht aus dem Käfig gelassen wurde. Als ich rauskomme, stellt er sich vor, und auch seinen Freund Bert. Ernesto möchte zwar lieber nicht »Ernie« genannt werden, wie er mir später mitteilt, doch mit einem Freund wie Bert lässt sich das offenbar nicht vermeiden. Wir schütteln einander die Hände,

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