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Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Levison
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Gerechtigkeitsfanatikers, den ich mir erhofft hatte. Es ist vielmehr so, dass er mich ganz offenbar nicht ausstehen kann, und bei unserem ersten Treffen macht er auch keinen Hehl daraus.
    »Ich habe mir diesen Fall nicht gewünscht«, teilt er mir mit, während ich mich zu ihm an den Tisch setze. »Ich war gerade dabei, auf Urlaub zu gehen, und dann geben sie mir ausgerechnet diesen Fall da !« Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Verachtung, mit der er die letzten Worte geradezu ausgespuckt hat, meiner Person, meinem Fall, der Anklage gegen mich oder einfach seinem entgangenen Urlaub verdankt. Wahrscheinlich von allem ein wenig, denke ich. Jedenfalls darf ich sein Publikum sein, wenn er seinen Frust loswerden will, so viel steht schon mal fest.
    Wir sind im Gericht. Haftprüfungstermin. Ich habe seit meiner gestrigen Festnahme außer dem ungenießbaren Frühstück weder zu essen noch zu trinken bekommen. Meine Kehle ist trocken und fühlt sich kratzig an, und vor Hunger wird mir schwindlig. Ich sehe meinem Anwalt zu, wie er ein Stück einer Süßspeise aus einer Serviette auswickelt und davon abbeißt. Als ich sehe, wie kleine Splitter einer weißen Glasur auf den Tisch fallen, beginne ich mich zu fragen, ob es wohl einen sehr erbärmlichen Eindruck machen würde, wenn ich die Glasurbröselchen aufpickte? Er quasselt inzwischen über Haftprüfungen und Schuldbekenntnisse.
    »Der Staatsanwalt sagt, wenn Sie uns verraten, wo sich das Mädchen befindet, kommt er uns mit seinem Strafantrag entgegen …«
    »Ich weiß aber nicht, wo sie ist«, sage ich. »Ich hab mit der Sache nichts zu tun.«
    Jetzt ist er enttäuscht. Er wird nicht umhinkönnen, sich eine Verteidigung zurechtzulegen. Dabei hatte er damit spekuliert, ich würde mich schuldig bekennen und auf ein möglichst gnädiges Urteil hoffen. Er würde ein paar Dokumente unterschreiben und womöglich seinen Ferienflieger noch erwischen. Ich starre die Glasurbrösel an und beneide ihn um seine Freiheit.
    »Ich brauche Wasser«, sag ich.
    »Aber ja doch, dazu kommen wir noch«, sagt er und fängt wieder an, in seinen Unterlagen zu kramen. Er sucht meine Anklageschrift. Seine Gleichgültigkeit gegenüber meinem Durstgefühl bringt mich zum ersten Mal richtig in Rage. Ich spüre, wie ich im Gesicht rot anlaufe, und stehe kurz davor, genau so zu handeln, wie sie sich das von mir hier erwarten. Ich hätte Lust, aufzustehen und loszubrüllen. Dieser Kerl sollte bitteschön auf meiner Seite sein!
    »Nun«, sagt er, »Sie gehen einer bezahlten Arbeit nach. Wahrscheinlich verdienen Sie zu viel für Verfahrenshilfe. Ich brauche Ihre Erlaubnis, in Ihre Steuerakten Einsicht nehmen zu dürfen …«
    Es ist nicht zu fassen, aber der Mann tut alles dafür, meine Vertretung loszuwerden. Und ich soll ihm auch noch dabei helfen! Von allen Menschen, die ich im Laufe des letzten Tages getroffen habe, ist er der Einzige, dem meine Interessen ein Anliegen sein sollten, und ausgerechnet er versucht mit allen Mitteln, so schnell wie möglich von mir wegzukommen. Ich betrachte seine kleinen Augen, während er sich die letzten Brocken seiner Süßspeise in den Mund schiebt, und überlege mir, dass es vielleicht gar nicht schlecht wäre, ihn loszuwerden. Möglich, dass sein Ersatz ein engagierter und emsiger Jurist wäre, kein überforderter und zornig-inkompetenter, der sich einen Dreck um seine Pflichten kümmert.
    »Ich brauche jetzt Wasser«, sage ich mit Nachdruck. »Ich habe seit meiner Festnahme nichts mehr zu trinken bekommen.«
    Er blickt auf. »Wurden Sie im Gefängnis nicht verpflegt?«
    »Das war ungenießbar. Eine Art chemische Fruchtpampe und eine Schnitte Brot.«
    »Tja, ist nun mal kein Hotel …«
    »Ich brauch verdammt nochmal jetzt Wasser.«
    »Ist ja gut, ich hab verstanden.« Kurz etwas verärgert aufblickend, nimmt er den leeren Styroporbecher, den er für seinen Kaffee benutzt hatte, und klopft an die Tür. Ein Wärter öffnet, und er verlässt den Raum, um den Becher auf der entfernten Seite des Korridors an einem Brunnen zu füllen. Ich weiß genau, wo sich der Trinkwasserbrunnen befindet, zumal ich ihn angestarrt habe, als sie mich an ihm vorbeiführten, und mich gefragt habe, ob ich mit angelegten Handschellen wohl ein paar Schluck daraus nehmen könnte. Ehe ich einen Versuch machen konnte, ist mein Anwalt aufgetaucht, mir wurden die Handschellen abgenommen und man hat mich in diesen Raum gebracht. Ein paar Augenblicke später kehrt er zurück, stellt den vollen

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