Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
Justizbeamten zu. »Ist aber nicht meine Baustelle. Man hat mich nur um den Gefallen gebeten, Sie zu fragen.«
»Stehen Sie auf und legen Sie ihre Hände auf den Rücken«, sagt der Wärter und holt die Handschellen hervor.
Mein Anwalt geht grußlos weg.
»Glaub mir, der Mann hat recht«, sagt Robert. »Das mit dem begründeten Zweifel ist Bullshit.« Meine Augen sind vom Weinen noch verquollen, und mir ist, als könnte ich jeden Augenblick wieder losheulen. Von dem Treffen mit meinem Anwalt bin ich direkt in die Pause gekommen, und ich war überrascht, wie viel Verzweiflung von mir abgefallen ist, als ich Robert sah. Er ist tatsächlich mein einziger Freund auf dieser Welt.
»Wie meinst du das?«
»Du musst die Sache anders betrachten. Es ist nicht so, dass du unschuldig bist, solange man deine Schuld nicht bewiesen hat, es ist vielmehr umgekehrt. Du musst beweisen, dass du unschuldig bist. Wenn an deiner Unschuld Zweifel bestehen, was haben die Geschworenen dann davon, wenn sie dich laufenlassen? Für die ist das doch kein Problem, wenn du den Rest deiner Tage für etwas im Knast sitzt, was du nicht getan hast. Die gehen anschließend zurück in ihre Büros zu ihren Schreibtischen und sind schon zufrieden, wenn sie nur einigermaßen sicher sind, einen bösen Jungen weggesperrt zu haben.«
Das ist das Letzte, was ich jetzt hören will, und mir kommen wieder die Tränen. Ich weiß, dass mir die Zeit davonläuft, aber was ist schon die Zeit – eine Idee, eine Vorstellung! Als ich den Räumungsbefehl sah, habe ich erkannt, dass ich auch alles andere verliere. Mein Zeug ist ja nicht gerade teuer, und meine Wohnung kein Luxusdomizil, aber es war gemütlich, und es war meins. Ich will jetzt nur irgendetwas Positives hören, etwas Lustiges, alles außer der Wahrheit. Jetzt fließen die Tränen wieder in Strömen, und der Psychopath Robert erscheint betroffener als vorhin mein Anwalt.
»Beruhige dich, Mann, du kannst nie wissen«, sagt er aufmunternd. »Die Geschworenen sind unberechenbar.«
»Am liebsten wäre ich tot«, sage ich. »Wirklich.« Ich verschlucke mich und meine Stimme wird emotional und kindisch, das Schluchzen klingt wie von einem gereizten Kleinkind. »Ich hab in meinem Leben nie an Selbstmord gedacht oder so was, aber ich wünschte, ich könnte sterben. Morgen einfach nicht mehr aufwachen. Mein Gott, könnte ich doch nur heute Nacht im Schlaf sterben.«
»Jetzt komm mal runter«, sagt Robert. Von der anderen Seite blicken Ernie und Bert zu uns rüber. Sie haben keine Ahnung, was mit mir los ist. »Hey«, sagt Robert. »Willst du was Lustiges hören?«
Ich nicke. Nichts mehr als das.
»Du weißt ja, dass Clarence seinen Hinrichtungstermin bekommen hat, nicht wahr? In sechs Tagen oder so …«
Wow. Ich wusste, dass er seinen Termin hat, aber nicht, dass das schon so früh war. In einer Woche ist Clarence schon nur mehr eine Erinnerung. Mit wem wird der andere Schwarze dann rumhängen? Nachdem ich selbst gerade erlebt habe, wie wichtig es ist, einen Freund zu haben, überkommt mich plötzlich Mitleid für ihn, und ich bedecke mein Gesicht, weil sich meine Augen schon wieder mit Tränen füllen.
»Jetzt hör dir das an«, sagt Robert mit amüsiertem Gesichtsausdruck. »Bevor sie dir die Nadel geben, schreibst du nochmal einen Brief an den Gouverneur und bittest ihn um Gnade. Ist ja möglich, dass das Urteil auf Lebenslang gemildert wird. Du versuchst, möglichst viele Leute dazu zu bringen, den Brief zu unterschreiben, wie bei einer Petition.«
Ich nicke.
»Die meisten bitten die Wärter um den Gefallen, ihre Bittschrift zu unterschreiben. Du willst so viele Namen wie möglich aufs Papier bekommen. Vor ein paar Jahren hat einer es geschafft, den Gefängnisdirektor zu überreden. Ich meine, es nützt zwar nichts, aber die Wärter kritzeln dann ihre Namen halt nur so hin, aus gutem Willen und so Scheiße.«
Ich nicke und frage mich, wo diese Geschichte noch hinführen soll.
»Nun hat also auch Clarence seinen Brief unter den Wärtern zirkulieren lassen, doch keiner hat unterschrieben. Nicht mal Evans, der ansonsten eine coole Sau ist. Nichts. Niemand.« Robert bricht in Gelächter aus. Auch ich muss lachen. Nicht deshalb, weil niemand das Gnadengesuch unterschrieben hat – das finde ich eher tragisch. Ich lache, weil mein einziger Freund in der Welt der Meinung ist, dass dies eine Geschichte ist, die irgendjemanden erheitern könnte.
In der nächsten Zeit spüre ich eine tiefe,
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