Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Levison
Vom Netzwerk:
Zusammenbrechen. In den Lokalnachrichten wird man mich schwankend zeigen, denke ich. Wie seltsam, dass mir gerade mein Leben genommen wurde und mein erster Gedanke dem Eindruck gilt, den ich im Fernsehen machen werde. Kaum ist das Wort ausgesprochen, ist vom hinteren Teil des Gerichtssaales, wo die Mutter und der Vater des Opfers sitzen, lebhafte Freude zu vernehmen. Der Gerechtigkeit ist Genüge getan. Jetzt können sie weiterleben.
    Die Richterin sagt irgendwas über meine Rückführung in die Todeszelle und über ein Datum für die Festlegung des Strafausmaßes. Ich starre auf die dunkle Holzplatte des Tisches, an dem ich die letzten vier Tage gesessen habe. Nur starren. Ich kann meine Glieder nicht bewegen. Die Richterin liest jede Menge dampfende Kacke über Urteilsdaten vor, und Randall antwortet ihr. Ich kann nicht einmal meinen Kopf heben, um irgendjemanden anzublicken. Vermutlich waren der Musiker und die schwarze Lady mit den freundlichen Augen letztlich doch nicht auf meiner Seite.
    Schließlich kommt in den Reihen hinter mir Unruhe auf, die Leute erheben sich und beginnen den Gerichtssaal zu verlassen. Der Gerichtsdiener nimmt mich am Arm, um mich zurück in den Umkleideraum zu führen. Während zwei Justizwacheleute links und rechts an mich herantreten, um mich zur Tür hinauszugeleiten, setzt das Blitzlichtgewitter der Fotografen ein. Die zwei Officers sind offenbar geschult auf den Umgang mit frisch Verurteilten, zumal beide so aussehen, als würden sie auf einen Anfall meinerseits warten, ich aber empfinde nichts als Taubheit. Friedlich folge ich dem Gerichtsdiener.
    Wir kehren zurück in den Umkleideraum, wo mein weißer Gefängnis-Overall auf mich wartet, und der Gedanke, den jetzt wieder anzuziehen, erfüllt mich plötzlich mit Abscheu und löst Übelkeit aus. Mich schaudert, und mein Mund füllt sich mit Speichel, als müsste ich mich gleich übergeben; auf meiner Stirn bilden sich Schweißperlen. Das ist also das letzte Kleidungsstück, das ich jemals noch tragen werde. Ich zittere bei dem Versuch, den obersten Knopf von Clarences Anzugjacke zu öffnen, und niemand sonst im Raum, weder die beiden Officers noch Randall, scheint es zu bemerken. Ich glaube nicht, dass mein Koordinationsvermögen im Augenblick ausreicht, mich zu entkleiden, deshalb setze ich mich auf einen Stuhl, um den Anfall von Übelkeit vorübergehen zu lassen.
    »Wir müssen los«, blafft der Wärter. »He du, steh jetzt auf und schlüpf in den Overall.« Dann klatscht er in die Hände.
    Als ich versuche, mich zu erheben, wird die Tür geöffnet. Der Gerichtsdiener steht vor uns. »Die Richterin möchte Sie in ihrem Zimmer sehen«, sagt er.
    »Wen, mich?«, fragt Randall.
    »Sie und Ihren Klienten.«
    Randall wirft mir einen fragenden Blick zu. »Da bin ich aber gespannt.«
    Einer der Wärter holt die Fußfesseln raus, obwohl ich noch den Anzug trage, aber der Gerichtsdiener schüttelt den Kopf. »Die brauchen wir nicht«, sagt er.
    Wieder blickt mich Randall fragend an.
    »Worum geht’s?«, frage ich. Randall zuckt mit den Schultern.
    Der Gerichtsdiener führt uns durch den jetzt leeren Gerichtssaal und durch ein Labyrinth kleiner Besprechungszimmer in ein luxuriös getäfeltes Büro, wo die Richterin in einem Ledersessel sitzt und fernsieht. Der Staatsanwalt, der etwas gestresst wirkt, sitzt ebenfalls auf einem Sessel, und ein gutgekleideter Mann Ende vierzig mit pfiffigem Gesichtsausdruck, den ich zuvor nie gesehen habe, steht bei unserem Eintreten auf und nickt mir zu. Sehr ungewöhnlich, dass er mir zunickt, und nicht Randall. Inzwischen bin ich es gewohnt, unsichtbar zu sein. Ich nicke nicht zurück.
    »Ich habe soeben einen Anruf von der Oklahoma State Police erhalten«, sagt die Richterin. »Sie ist am Leben. In Oklahoma.«
    »Wer ist am Leben?«, fragt Randall.
    »Das Mädchen, für dessen Ermordung Ihr Klient soeben verurteilt wurde.«
    Ich höre, was sie sagen, empfinde aber nichts, so als würden sie noch immer die prozessuale Scheiße von vorhin erörtern, von der ich nichts verstehe. Ich nehme die Details des Büros wahr, die Zimmerpflanzen, den schieferfarbenen Teppich, den Bücherschrank mit seinen Intarsien.
    »In ein paar Minuten haben wir’s in den Nachrichten«, sagt die Richterin. »Inzwischen müssen wir uns darüber unterhalten, was wir mit Ihrem Fall machen.«
    »Wir werden die Mordanklage fallenlassen müssen«, sagt der Staatsanwalt. »Bleibt noch die Entführung.«
    Die Fenster wurden von Wiseman

Weitere Kostenlose Bücher