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Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Levison
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für seine Inkompetenz. Der will so schnell wie möglich weg von hier, meinen Fall an Brock übergeben und wieder zurück in sein Spezialgebiet – Minimalverteidigung für Menschen, die wirklich schuldig sind. Dieses ganze Einen-unschuldigen-Mann-Vertreten hat ihn wohl aus der Bahn geworfen.
    »Nun also«, sagt Brock. »Ich werde Mister Sutton in ein Hotel bringen, und wir arrangieren dann ein Meeting für morgen.« Er erhebt sich aus seinem Sessel, und mir wird bewusst, dass man mich soeben »Mister Sutton« genannt hat. Nicht »Mein Klient«, nicht »Gefangener Nummer sowieso«, auch nicht »Sutton« – man hat mich »Mister Sutton« genannt. Ich bin wieder ein Mensch.
    Beim Weggehen ruft uns der Staatsanwalt hinterher: »Sie sind noch immer unter gerichtlicher Aufsicht. Sie sind ein verurteilter Entführer. Das ist jetzt nicht einfach so gelöscht.«
    Ich schlage ihm die Tür vor der Nase zu.
    Draußen im Flur folgen uns die beiden Wachebeamten. Einer hat die Fesseln in der Hand und greift nach meinem Arm.
    »Hey«, sagt Brock. »Er wurde entlassen.«
    Der Wachmann starrt ihn bloß an, ergreift dann wieder meinen Arm. Dieses Mal mache ich einen Schritt zurück, als ob ich mich verteidigen wollte.
    »Wenn Sie meinen Klienten anfassen, werde ich alle meine Kontaktpersonen bei der Justiz anrufen und nicht eher ruhen, bis man Sie nach Brookley versetzt hat.« Mit Brookley meint er das Psychiatrische Krankenhaus für geistig abnorme Rechtsbrecher, quasi die unterste Stufe, auf die man als Wärter im Strafvollzug abstürzen kann, das finsterste Loch der Gefängniswelt. Evans hat mir erzählt, dass die Wärter dort die ganze Zeit über damit beschäftigt sind, fäkalienbeschmierte Wahnsinnige zu Boden zu ringen.
    Der Officer blickt ihn kurz an, zuckt mit den Achseln und klopft an die Tür der Richterin. Nach ein paar Worten mit ihr suchen die beiden wortlos das Weite.
    Herrgott noch einmal – das nenn ich einen Anwalt!
     
    Brock checkt mich in ein Hotel ein. Und nicht in irgendein x-beliebiges Hotel – die Lobby hat die Größe eines Stadions, mit Marmorboden, Messing und Leder überall, da und dort Topfpflanzen, Klimaanlage. Die Hotelangestellten sind gutgelaunt und sprechen mit gedämpfter Stimme. Ich stehe in der Lobby und kann nur vor mich hin starren. Ich warte darauf, dass sich geräuschlos die automatische Glastür öffnet, eine Elitetruppe der Polizei hereinstürmt und mich zu Boden wirft – es sei alles ein Irrtum gewesen. Brock kommt mit dem Zimmerschlüssel.
    »Zimmer 814«, sagt er, indem er mir die Schlüsselkarte aushändigt. Ich komme morgen früh vorbei, sagen wir zehn Uhr?«
    Er fragt mich . Er möchte, dass ich mich entscheide, nachdem ich zehn Monate lang keine einzige Entscheidung getroffen habe. Wenn ich jetzt sage, »elf Uhr wäre besser«, würden wir uns dann um elf Uhr treffen? Ich bin es nicht mehr gewohnt, dass meine Bedürfnisse von wem auch immer wichtig genommen werden. Nun gut, mein Terminkalender ist jedenfalls nicht gerade dicht im Augenblick.
    Ich nicke.
    »Gratuliere. Genießen Sie den Zimmerservice. Oder essen Sie im Dinner-Restaurant«, sagt er in dem Versuch, mich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. »Sie können im Restaurant essen und die Rechnung auf Ihr Zimmer schreiben lassen«, erklärt er. »Bis wir Ihre Brieftasche zurückhaben.«
    Ich nicke.
    »Dann bis morgen.« Er gibt mir seine Visitenkarte, auf der Rückseite ist seine Handynummer aufgeschrieben. »Rufen Sie mich an, wenn Sie was brauchen.«
    Weg ist er.
    Ich gehe rüber zum Aufzug, der sich mit einem leisen Klingeln öffnet. Als ich eintrete, sehe ich mich in voller Länge im Spiegel, noch immer in Clarences Anzug gekleidet. Seltsamerweise kommt mir der Gedanke, dass ich mein Zimmer erreichen muss, ehe mir ein Verwandter von Clarence begegnet und mir den Anzug vom Körper zu reißen versucht. Als ob man in diesem Hotel Verwandte von Clarence anträfe …
    Kling. Ich bin im achten Stock. Ich trete aus dem Aufzug heraus und blicke einen langen, teppichbelegten, aufs peinlichste sauber gehaltenen Flur hinunter, der einen angenehmen, doch neutralen Geruch von Teppichreiniger verströmt. Ich gehe vorsichtig, als könnte ich jemanden aufwecken, als würde ich nicht hierhergehören. 814. Ich ziehe die Karte über das Lesefeld, und die Tür öffnet sich mit einem Klick.
    Das ist kein Zimmer, das ist eine Suite, und ich bin überwältigt von all dem Gold und Weiß. Alles rund um mich herum ist entweder goldfarben

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