Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Fatburs Kvarngata. Alex zeigt auf die Schilder und rattert die Straßennamen herunter, während Jonna sagt, dass sie versuchen will, sich das alles zu merken, um sich zurechtzufinden. An einer S-Bahn-Haltestelle biegen sie rasch um die Ecke, hinein in eine Straße, die Fatburs Brunnsgata heißt, und Jonna seufzt. Hieß so nicht schon die andere Straße vorhin? Hoffnungslos, sich das alles merken zu wollen. Aber da ist auf jeden Fall ein Ort namens Enter, wo man kostenlos Essen bekommt.
»Gibt es bald Abendessen?«
Alex ruft in der Tür und schüttelt sich die Stiefel von den Füßen. Dann geht sie zielstrebig in eine große Küche, wo es nach Lasagne duftet, die im Ofen blubbert, und Jonna folgt ihr zaghaft. Alex hat das »einen guten Ort« genannt, und den Eindruck hat Jonna auch, doch Alex flüstert ihr noch schnell zu, dass man »vielleicht nicht zu viel mit den Leuten reden sollte, die hier arbeiten«.
»Was heißt zu viel?«
Jonna sieht Alex verunsichert an, aber die verzieht das Gesicht und wirft ihr einen Blick zu, als wäre das eine dumme Frage.
»Willst du etwa ein Hilfsangebot bekommen, oder was?«
Nein, das will sie natürlich nicht. Schweigend und rasch schüttelt sie den Kopf. Zumindest nicht, wenn Alex das in diesem Ton sagt. Jonna geht auf Zehenspitzen durch den Raum, alles ist so erstaunlich schön und gemütlich. Die große Wohnküche hat hohe Atelierfenster, und daneben gibt es noch eine kleinere Küche, in der drei Teenager stehen und eine Torte garnieren. Sie grüßen, Jonna und Alex grüßen zurück, und gehen dann weiter in einen Flur, von dem einige Büros und kleinere Räume abgehen, darunter ein Zimmer mit einem Bett und einer Massagebank.
»Es gibt noch mehr Räume, aber die sind für andere. Problemfamilien und so.«
»Muss man hier sagen, wer man ist?«
»Nein, bist du verrückt?« Wieder eine Grimasse. »Die städtische Mission betreibt das hier. Das ist keine Behörde.«
Entschuldigung! Jonna wollte sich nur vergewissern.
Einmal sind ihre Großmutter und sie zum Sozialamt in Köping gegangen, und danach hat es eine Ewigkeit gedauert, bis ihr Leben wieder normal war. Ihre Großmutter hatte im Krankenhaus gelegen, und sie brauchten nur ein bisschen Geld für die Miete, aber Jonna hatte aus Versehen die falschen Antworten auf all die Fragen gegeben, und da wurde die Sozialamts-Tante plötzlich misstrauisch. Erst hatte Jonna sich auf dem Sozialamt sogar beinahe wohlgefühlt, genau wie hier, aber scheinbar hatte einige Zeit zuvor schon einmal jemand von der Schule eine Anzeige erstattet, und daraufhin hatte das Jugendamt Jonnas Familie auf üble Weise unter die Lupe genommen. Damit war wirklich niemandem geholfen gewesen, aber die vom Jugendamt hatten Jonnas Mutter fast ein Jahr lang terrorisiert, ehe sie aufgaben – und alles war nur Jonnas Schuld gewesen.
Das durfte nie wieder passieren.
»Hallo, du bist neu hier, nicht wahr?«
Eine, die Helena heißt, kommt und begrüßt sie, sie arbeitet hier. Sie sagt, das Essen sei fertig und Jonna herzlich willkommen. Das Enter sei eine Einrichtung für heranwachsende Mädchen, die es nicht leicht haben im Leben. Sie schielt auf Jonnas fleckige Jeans herunter und fragt ein wenig forschend, woher Jonna kommt, und wo sie jetzt wohnt.
»In Farsta, genau wie ich.«
Alex antwortet blitzschnell an Jonnas Stelle, und Helena und Jonna sehen beide etwas erstaunt aus. Aber dann beginnt Helena, von der Einrichtung zu erzählen.
»Du bist immer willkommen, Jonna. Wir haben an fünf Nachmittagen und Abenden die Woche geöffnet, und man kann kommen und sich einfach hier aufhalten oder auch an verschiedenen Aktivitäten teilnehmen, Schreibgruppen, Textilarbeitsgruppen, Yoga, Massage oder Chor. Manchmal machen wir auch Ausflüge …«
»Und essen kann man hier auch.«
Der Kommentar kam von Alex, und Helena nickt und betritt eines der Büros. Die Wärme und die Freundlichkeit in Kombination mit der Reaktion von Alex bewirken, dass Jonna in Alarmbereitschaft ist, aber Helena holt nur einen Flyer vom Schreibtisch, unterstreicht eine Adresse und eine Telefonnummer und reicht Jonna mit einem Lächeln das Heft.
»Hier ist unsere Broschüre, damit du auch ganz sicher wieder hierherfindest, Jonna.«
»Möchte jemand noch etwas?«
Siebzehn Mädchen, alle ungefähr gleich alt, sitzen um den großen Küchentisch, dazu drei Erwachsene, die Auflaufformen mit Lasagne auf den Tisch stellen oder herumwandern lassen. Jonna nimmt eine zweite Portion, sie hat
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