Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
abgehauen ist. Man sieht ihnen an, dass sie einiges mitgemacht haben. Vielleicht ist die Stimmung am Tisch deshalb so freundlich.
Helena und Elina decken den Tisch ab. Alex steht auch auf und holt Kaffeetassen, sie scheint sich hier gut auszukennen. Und inzwischen kommt das Gespräch am Tisch richtig in Fahrt, plötzlich wollen alle von schrecklichen Dingen erzählen, die sie gesehen oder von denen sie gehört haben.
»Direkt auf den Bürgersteig, als ich gerade kam. Das war so eklig. Es klang wie ein Sack Mehl, und ich habe einfach nur die ganze Zeit geschrien, und mein Bruder musste mich da richtig wegzerren.«
»Ich hab mal einen Typen gesehen, der seinen riesigen Kampfhund auf einen kleineren Hund gehetzt hat!«
»Habt ihr von diesem Verrückten gehört, der seine Freundin drei Jahre lang eingesperrt gehalten hat?«
»Ja, das hat doch in der Zeitung gestanden.«
Das Gespräch geht wild durcheinander. Nicht alle sind gut im Zuhören, einige erzählen unzusammenhängend, und andere reden einfach drauflos. Aber alle dürfen teilnehmen.
»Voriges Jahr gab es ein Bordell in Jakobsberg.«
»Ja, das weiß ich doch, ich hatte eine Freundin, die da in der Nachbarschaft gewohnt hat. Das war so nervig.«
»Ich frage mich nur, warum da niemand was macht?«
»Das frage ich mich auch!«
»Wir könnten doch in der Schreibwerkstatt Leserbriefe an die Zeitungen schreiben.«
Helena versucht, konstruktive Vorschläge zu machen, aber es hört ihr keine so richtig zu.
»Ich finde, die Polizei sollte die nicht immer mit Samthandschuhen anfassen!«
»Du meinst wie in Amerika? Todesstrafe oder was?«
»Amerika ist ganz in Ordnung! Da haben wenigstens alle die gleichen Chancen!«, schreit Alex laut heraus und stellt die Teekanne mit einem Knall auf den Tisch.
Da schießt das Mädchen mit dem Schleier hoch und schreit ebenfalls: »Ach, und hier hat man das nicht, oder was? Wenn das irgendwo gilt, dann ja wohl in Schweden!«
»Ach so? Und warum sitzen wir dann hier?« Alex sieht in die Runde und fährt fort: »Warum sind wir dann keine Austauschstudentinnen? Oder warum stehen wir nicht im Pferdestall? Oder warum feiern wir nicht mal unsere Geburtstage zu Hause?«
Das Letzte schleudert sie einem Mädchen entgegen, das gerade mit der Torte ankommt. Die ist jetzt mit Liebesperlen in allen Farben und mit brennenden Kerzen garniert, und zwar mit zehn, elf, dreizehn, vierzehn Kerzen, und das Mädchen stellt die Torte geräuschlos auf dem Tisch ab.
Mit einem Mal wird es sehr still in der Küche.
»Verdammt, Alex …«
Jonna zählt und zählt und hält den Blick gesenkt, aber das Mädchen mit dem Schleier springt auf und legt den Arm um die andere mit der Torte. Sie will sie trösten, aber das Mädchen schüttelt nur den Kopf, als ob es nicht nötig wäre, und sieht Alex ruhig an, als sie erklärt: »Ja, und das werde ich auch tun.«
Ihr Blick ist triumphierend.
»Wenn ich nächstes Jahr mit der Schule fertig bin, dann werde ich aus dem Heim ausziehen und meinen fünfzehnten Geburtstag zu Hause feiern – mit beiden Eltern.«
Hoppla. Sie sah so klein und zerbrechlich aus, aber jetzt sagt sie das so cool, holt dann tief Luft und bläst alle Kerzen auf ein Mal aus.
Jonna kann sich nicht beherrschen, sie springt vom Stuhl auf, pfeift und fängt an zu applaudieren.
»Wow! Hurra!«
Und alle am Tisch stimmen ein, es gibt Umarmungen, Jubel und Pfiffe, und dann singen sie »Hoch soll sie leben!«.
»Sollen wir los?«
Der Abend ist so schnell vergangen, jetzt wird das Enter geschlossen, und sie müssen gehen. Die meisten Mädchen sind schon weg. Helena macht alle Lichter aus und stellt die Stühle auf den Küchentisch, während Alex noch auf einem der Sofas liegt und in einer Hundezeitschrift blättert. Sie scheint es kein bisschen eilig zu haben.
»Kuck mal der hier. So einen will ich haben.«
Jonna setzte sich auf die Sofalehne und sieht das Bild an, auf das Alex zeigt. Es ist jetzt neun Uhr, und sie würde gern fragen, ob sie heute Nacht bei Alex in Farsta übernachten kann, denn das wäre so viel schöner, als wieder in einem Bus zu schlafen.
»Verglichen mit Tieren sind Menschen doch einfach scheiße. Kuck mal, wie supersüß der ist.«
Es ist ein schwarzer kleiner Welpe, Alex streicht mit den Fingern über das Bild und kann sich gar nicht beruhigen.
»Wenn der mir gehören würde, dann würden wir immer zusammen schlafen. Der wäre für mich da und würde mir nicht von der Seite weichen, was auch passiert.«
»Hmm.
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