Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
das Hemd aus.
Jonna verschränkt die Arme vor der Brust. Sie will hier weg, aber schließlich kann sie Alex nicht alleine lassen, und deshalb bleibt sie einfach stehen. Was zum Teufel hat ihre Freundin vor? Ist Jonna die Einzige, die das hier komisch findet? Ist das der Preis, den Alex dafür zahlt, bei Minken wohnen zu dürfen? Oder ist sie einfach nur zu besoffen, um zu merken, was hier vor sich geht?
Jetzt zieht Minken ihr auch den BH aus. Er tanzt grinsend hinter ihr, packt von hinten ihre nackten Brüste und rammelt auffordernd gegen ihre Hinterbacken. Und dann fängt er an, mit dem Reißverschluss ihrer Jeans zu kämpfen, und Victor jubelt, das Pfeifkonzert will kein Ende nehmen, die drei Typen fallen in einen immer lauter werdenden Chor: »Zeig die Fotze, zeig die Fotze, zeig die Fotze!«
Doch plötzlich wird dieses Spiel unterbrochen – dank Minken. Er schaltet abrupt die Musik aus und schreit, dass die Party nun vorbei sei. In der plötzlichen Stille klingt es wie Löwengebrüll, Robin fährt vom Bett hoch und die beiden anderen von ihren Stühlen.
»RAUUUS!«
Minken wedelt mit dem Arm Richtung Tür. Er wirft Alex aufs Bett und hat die Jungs in drei Sekunden aus dem Zimmer getrieben. »Verdammte Hurenböcke!«, schreit er ihnen nach, und während sie im Flur noch mit ihren Schuhen kämpfen, donnert er mit der Faust gegen einen Schrank, sodass die Tür rauskracht. Da greifen sich die drei einfach irgendwelche Schuhe und flüchten.
»HAUT AB!«
Krach! Jetzt hat Minken die Tür zugeknallt.
»Was für eklige Schweine«, murmelt er, rückt die Kapuze auf dem Kopf zurecht und sieht etwas erstaunt drein, als Jonna die Antwort schuldig bleibt. Sie steht immer noch blass und wie erstarrt im Flur, die eine Hand an den Türrahmen gestützt, und erst jetzt sieht er sie richtig.
Er lächelt ihr entschuldigend zu und rückt seinen Schwanz in der Hose zurecht.
»Ist das okay für dich, wenn du hier draußen schläfst?«
*
Sie ficken.
Jonna liegt mit der Jacke als Decke und der Schultasche unter dem Kopf auf dem schmutzigen Fußboden im Flur und versucht, nicht auf Alex’ Quieken, das Knarren des Bettes und das Keuchen und Stöhnen von Minken zu achten, dass durch die Wand zu hören ist.
Es geht lange, aber irgendwann schläft sie doch ein. Sie schläft tief, sie hat schon immer über Krach und Geräusche hinwegschlafen können, und das tut sie jetzt auch. Am Rand ihres Bewusstseins nimmt sie wahr, dass ein Lichtstrahl auf sie fällt, denkt, dass Alex oder Minken aufs Klo gegangen sind, und schläft weiter. Bald schläft sie wieder tief und fest, und in dem Traum, den sie hat, ist sie sechs Jahre alt und hat Windpocken. Es ist ein schöner Traum, sie ist sehr krank, und ihre Oma ist so besorgt, dass Jonna in ihrem Bett liegen darf. Da macht es auch nichts, dass sie schwitzt und ihr schwindelig ist und dass es sie überall grässlich juckt.
Sie liegt da, den großen, beschützenden Körper hinter sich, und etwas in ihr wünscht, dass das Fieber nie vergehen möge, damit sie für immer einen Grund hat, in Omas Bett zu schlafen.
Es ist ein ungewöhnlich starker und realistischer Traum, sie rollt sich zusammen und genießt, versinkt in der Sicherheit und der Nähe, bis sie plötzlich merkt, dass hier etwas überhaupt nicht stimmt.
Es ist gar kein Traum.
Da liegt tatsächlich jemand.
Hinter ihr. In Wirklichkeit.
Sie zuckt zusammen, ist mit einem Mal hellwach, und ist sich plötzlich ganz sicher. Sie horcht und stellt fest, dass tatsächlich ein Mensch hinter ihr liegt. Er hat eine Hand unter ihrem Hemd und auf ihrer rechten Brust, und er presst seinen harten Schritt von hinten an sie. Er muss sich zu ihr geschlichen haben, als sie schlief, und jetzt atmet er schwer und dicht an ihrem Ohr.
Wer ist es? Minken? Oder Victor oder Rutger, die zurückgekommen sind? Robin ist es sicher nicht. Der fensterlose Flur ist pechschwarz, sie sieht nur einen blassen Streifen Licht unter der Zimmertür hindurchscheinen, aber sie dreht sich trotzdem ein wenig herum und spürt, wie der Griff um ihren Körper sofort fester wird. Sie kann sich nicht richtig bewegen, er hält sie zu fest, vielleicht, weil sie gezeigt hat, dass sie wach ist.
»Lass los!«
Sie versucht, entschlossen zu klingen, aber ihre Stimme bringt nur einen mickrigen Laut zustande. Es ist so unangenehm, hier in der Dunkelheit zu liegen und sich plötzlich nicht mehr bewegen zu können, im Schlaf überrumpelt zu werden und nicht einmal zu wissen, von wem.
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