Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
überhaupt nichts von Alex’ Stammeln über das Schulhalbjahr im Kulturama mit.
»Du bist so ein fleißiges Mädchen.«
»Der Stolz der Familie, dass du es nur weißt.«
»Du wirst es noch weit bringen, Alexandra.«
Alle überschütten sie die Jüngste mit Lob, die da von ihrem Platz unter dem Couchtisch aus ihre Lügen verbreitet.
»Wo ist denn Bosse? Der Hund muss mal raus.«
Mitten im Film Vater Birne feiert Weihnachten , steht die Mutter plötzlich mit dem Hund auf dem Arm und einem fragenden Blick im Zimmer. Sie fängt an zu suchen, sieht auf dem Balkon nach, öffnet die Türen zum Bad und zur Küche, und Jonna schaut nicht mehr auf den Film, sondern verfolgt teilnahmsvoll ihre Suche. Dann gleitet sie unter den Tisch und setzt sich neben Alex.
»Ob er nach Hause gegangen ist, ohne Bescheid zu sagen?«
Vielleicht war er traurig, schließlich schien er ja nicht so beliebt zu sein. Sie fragt vorsichtig, und da bricht Alex in Gelächter aus.
»Hahaha! Habt ihr das gehört?«
Plötzlich erwacht sie zu neuem Leben und wiederholt Jonnas Frage, woraufhin alle im Zimmer ebenso herzlich zu lachen beginnen wie sie. Jonna ist verletzt, wieso muss Alex sie vor ihrer Familie bloßstellen? Und was ist denn überhaupt so witzig? Merkt sie denn nicht, dass Jonna sich richtig Mühe gibt, weil dies hier ihr erstes richtiges Weihnachtsfest ist?
Schließlich erbarmt sich Theo, legt eine Hand auf Jonnas Schulter und erklärt: »Das hier ist Bosses Zuhause. Wir befinden uns in seiner Wohnung, und das ist der einzige Grund, warum er heute Abend mit dabei ist.«
Ach so? Jonna sieht sich erstaunt um.
Dann wohnt also Bosse hier. Und sie dachte, es sei das Elternhaus von Alex. Ist das Bosses Couchtisch und Bosses Fernbedienung, die herumgeht, und weiß Alex deshalb nicht, wie der kleine Hund heißt? Genau. Marina nickt und bestätigt, dass Theo die Wahrheit gesagt hat.
Aber wo wohnt denn dann die Mutter? Und warum sind sie heute Abend nicht dort? Sie grübelt darüber nach, wie sie das fragen kann, aber in dem Augenblick kommt die Mutter ins Wohnzimmer zurück.
»Kinder, kommt mal, ich zeig euch was.«
Sie macht »Psst!«, winkt sie alle mit sich und macht die Tür zu einem kleinen Zimmer neben der Eingangstür auf. Dann schaltet sie das Deckenlicht an, hält die Tür auf und flüstert: »Seht ihr etwas Seltsames?«
Äh? Es handelt sich um ein sehr kleines Schlafzimmer, mitten im Raum steht ein ordentliches Einzelbett mit Spitzenüberwurf, und an der Wand über dem Kopfende ist ein Regal, auf dem eine Bibel und ein paar gerahmte Fotografien stehen. Was ist denn? Jonna sieht verstohlen zur Mutter, die jetzt noch mehr kichert und auf ein Paar Füße zeigt, die unter dem Bett herausschauen. Offensichtlich liegt dort jemand auf dem Fußboden. Die Mutter sagt wieder »Psst!«, kniet sich dann aufs Bett und weist die Mädchen eifrig an, es ihr nachzutun.
Da unten liegt Bosse, nur mit einem T-Shirt bekleidet, das bis zur Brust hochgerutscht ist. Er hat dünne Beine mit Krampfadern, einen kleinen, roten Pimmel und einen kugeligen Bauch, in den die Mutter jetzt ihren Zeigefinger bohrt.
»Pieks, in den Bauch!«
Keine Reaktion von dem Alten, jetzt sind nur noch die Mutter und Alex zu hören, die sich vor Lachen nicht mehr halten können.
»Können wir nicht jetzt fahren?«
Es ist spät, und Jonna ist müde. Marina geht herum und sammelt ihre Sachen und die des Babys ein, die Mutter schnarcht mit offenem Mund vor dem Fernseher, sie lehnt dabei an Theo, der ebenfalls schläft. Jonna beugt sich über Alex, die wieder unter dem Couchtisch sitzt. Bitte! Doch Alex schüttelt nur schläfrig den Kopf über Jonnas Vorschlag.
»Ich denke, ich bleibe heute Nacht hier.«
»Ehrlich? Aber – hättest du das nicht etwas früher sagen können?«
»Bleib doch einfach auch hier.«
Nein, das will Jonna nicht. Nach dem Übergriff von Victor neulich Nacht will sie sich nie wieder in irgendeine Ecke legen und schlafen. Außerdem hat sie langsam das Gefühl, dass sie ein Weihnachtsfest mit Pralinenschachtel doch vorzieht. Und sie will weg von hier, damit sie ihre Oma anrufen kann, die ja vielleicht noch wach ist. Aber wird sie den Weg zur U-Bahn alleine finden? Und was macht sie dann? Wo soll sie heute Nacht schlafen?
»Alex, ich habe gedacht, dass wir zusammen zurückfahren. Ich weiß überhaupt nicht mehr, wie wir hierhergekommen sind.«
Sie bettelt und zupft die Freundin am Arm, aber Alex schlägt nur nach ihr und schimpft.
»Willst du
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