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Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Anderberg Strollo
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Ecke, die gleichzeitig die übelste ist, aber da wird sie nicht sofort entdeckt, wenn jemand kommt.
    Auf dem Handy sieht sie, dass es schon nach Mitternacht ist, und sie hält inne. Das kann sie nicht machen, womöglich schläft Oma jetzt schon. Sie kann sie nicht einfach um diese Zeit anrufen. Zweiundzwanzig, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig, neunundzwanzig. Jonna will sie auf keinen Fall wecken, das könnte sie erschrecken. Dreißig, einunddreißig. Aber nein, verdammt, sie hält es nicht aus, hier eine ganze Nacht allein zu sitzen und zu frieren, sie muss einfach anrufen.
    Mit zittrigen Fingern wählt sie die Nummer von zu Hause, kaut auf ihrem Fingernagel und hält die Luft an, als jemand abnimmt.
    »Bodil Öberg.«
    »Hallo, Oma, ich muss mit dir über etwas reden.«
    »Was? Jonna, bist du es?«
    Sie klingt schlaftrunken und ein wenig ängstlich. Verdammt. Jonna beißt sich auf die Lippe und bereut, sie geweckt zu haben.
    »Tut mir leid, dass ich so spät anrufe. Aber wir haben etwas gemacht, und ich weiß nicht, wie …«
    »Jonna, du bist es!«
    »Ja, aber da ist ein Typ, der eine richtige Drohung bekommen hat, und sie haben auch meine Nummer, wir glauben, dass sie hinter uns her sind.«
    »Wovon redest du? Wo bist du denn, Jonna?«
    Es raschelt in der Leitung, als ob die Großmutter sich aufsetzen würde. Kurz darauf klingt sie plötzlich barsch: »Ich dachte, du würdest heute nach Hause kommen!«
    »Ich weiß! Und das wollte ich auch wirklich.«
    »Aber wo bist du denn bloß?«
    Plötzlich fängt Jonna an zu schluchzen, die Tränen laufen ihr über die Wangen.
    »Oma, ich wollte dich wirklich nicht im Stich lassen, ich war nur so sauer, weil du Mama einfach so hast wegfahren lassen.«
    Sie wischt die Tränen mit der Handfläche ab, streicht sich über den Mund und schmeckt Ruß und Metall auf ihren Fingern. Sie schließt die Augen, um die Betonbalken hoch oben nicht sehen zu müssen, um Taubenscheiße, Kippen reste und Müll auf dem nackten Boden nicht sehen zu müssen und auch die Dunkelheit nicht, die immer näher kriecht. Sie drückt das Handy fester ans Ohr, zupft an der ekligen Decke und schluckt.
    »Ich wollte doch, dass wir drei dieses Jahr zusammen Weihnachten feiern, dass wir …«
    »Beantworte jetzt meine Frage, Jonna! Bist du in Kolsva oder in Köping?«
    »Das ist so ungerecht, andauernd sagst du mir, ich soll Geduld haben und Rücksicht nehmen.«
    »Was redest du da? Nennst du das vielleicht Rücksicht?«
    »Nein, natürlich nicht, entschuldige.«
    »Jonna! Du weckst mich am Weihnachtsabend, nachdem ich den ganzen Abend allein dasitzen musste und darüber nachdenken durfte, wann es dir wohl behagt zu kommen! Wenn deine Mutter das wüsste!«
    »Das wollte ich wirklich nicht, Oma, es tut mir so leid.«
    »Das ist doch nicht normal!« Jonnas Großmutter holt tief Luft, ehe sie fortfährt: »Ich weiß nicht, wovon du redest, und ich will es auch am Telefon nicht wissen. Am Weih nachtsabend mit mir einen Streit anzufangen, also Jonna, das macht mich so wahnsinnig wütend, dass ich rot sehe, am liebsten würde ich …«
    Klick.
    Warum ist das eigentlich so schwer zu begreifen? Offensichtlich hat Jonna noch nicht viel gelernt, sie hofft immer noch und versucht alles, sie klopft an alle Türen und pflegt ihre Träume, deren Lächerlichkeit nur noch wehtut. Vielleicht ist sie einfach chronisch zu naiv für dieses Leben. Aber es klang auf jeden Fall so, als ob die Großmutter vorgehabt hätte, den Hörer aufzuknallen, und deshalb ist sie ihr zuvorgekommen und hat sie weggedrückt.
    Denn in der Leere, die entsteht, wenn jemand einfach auflegt, fühlt man sich so verdammt einsam.
    *
    Als das Telefon das nächste Mal klingelt, steht sie gerade zusammen mit Elina bei Toys’R’Us in einem Einkaufszen trum namens »Kungens Kurva«. Es ist der zweite Weih nachtstag, der Schlussverkauf hat eben begonnen, und das Warenhaus ist brechend voll mit maulenden Kindern in Skianzügen und verschwitzten Erwachsenen mit hochroten Gesichtern.
    »Dein Telefon klingelt.«
    »Ich weiß. Ich will nicht rangehen.«
    »Wer ist es denn?«
    Jonna treten die Tränen in die Augen, als sie es zu erklären versucht. Elina umarmt sie lange und tröstend, trotzdem versagen Jonnas Stimmbänder, sie fängt an zu zittern und kann schließlich nur noch flüstern. Sie sinken beide hinter die Regale mit Sylvanian-Families-Figuren, und Elina streichelt ihr sanft übers Haar
    »Aber hier bist du doch safe, oder?«
    »Hier? Aber hier kann ich

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