Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 5
Kate.“
Kate kam es so vor, als ob Leclerc es jetzt ehrlich meinte. Sie hielt unwillkürlich den Atem an, als er während des Sprechens völlig unerwartet ihre Hand nahm. Kate hätte ihre Finger zurückziehen können, aber das tat sie nicht. Sie musste sich nämlich selbst eingestehen, dass sich Leclercs Berührung einfach zu gut anfühlte. Außerdem war es ja noch keine Untreue James gegenüber, wenn sie diesen Franzosen ihre Hand anfassen ließ. Trotzdem hätte sie ihm seine Grenzen aufzeigen sollen. Aber Kate brachte es nicht fertig, nicht in diesem Moment.
Die Anspannung der vergangenen Stunden fiel von ihr ab. Es fühlte sich einfach gut und richtig an, Leclerc in diesem Moment so nahe zu sein. Gewiss, er war ein Herzensbrecher. Kate kannte diese Sorte von Männern. Doch in ihrem tiefsten Inneren fand sie es reizvoll, mit dem Feuer zu spielen. Wenn sie ein ängstliches Mäuschen gewesen wäre, dann hätte sie wohl kaum gegen Serpents Schergen kämpfen und sie besiegen können.
Leclerc war aufrichtig erschrocken, als Kate Serpents Namen genannt hatte. Und das war für sie das schönste Lob, das sie sich momentan vorstellen konnte. Der Bohemien würde nun gewiss nicht mehr an ihrem Mut zweifeln, das stand für Kate fest. Sie hatte keine Uhr bei sich und wusste nicht, wie lange sie Händchen haltend mit ihrem Begleiter an dem Tisch gesessen hatte. Es war für sie jedenfalls ein magischer Moment, über dessen Folgen sie sich lieber nicht den Kopf zerbrechen wollte.
Kate redete sich ein, sehr durstig zu sein. Schnell hatte sie den Weißwein ausgetrunken, doch Leclerc füllte ihr Glas prompt wieder auf. Der Alkohol stieg Kate schnell zu Kopf, obwohl sie an Brown Ale und Gin gewöhnt war. Aber vielleicht waren es auch die Glücksgefühle in ihrer eigenen Seele, die sie in einen milden Rauschzustand versetzten.
Leclerc hingegen schien sich nicht mehr so wohl in seiner Haut zu fühlen. Seit Kate über Serpent gesprochen hatte, war der Bohemien mehr oder weniger unruhig geworden. Immer wieder schaute er über die Schulter zurück oder richtete seinen Blick auf die vor dem Fenster vorbeifließende Seine. Erwartete er etwa, dass dort ein Boot mit bis an die Zähne bewaffneten Apachen erschien?
Bevor sich Kate weitere Gedanken über den Gemütszustand ihres Begleiters machen konnte, wurde das Essen serviert. Da sie die Speisekarte nicht hatte lesen können, wusste sie nicht, was es geben sollte.
Leclerc hatte für sie beide ein sechsgängiges Menü bestellt. Es bestand aus Lachs auf marinierten Gurken, Rindfleischsuppe mit Kräuterklößchen, Entenkeule mit Schmoräpfeln und Lauchgemüse, Schinkenröllchen mit jungem Spargel, Kakaosorbet und frischer Ananas mit Schlagsahne und Likörsoße. Kate hatte beim Essen wieder alle Hände voll zu tun, um zu jedem Gang das passende Besteck zu benutzen. Aber sie machte es wieder so wie auf dem Luftschiff und ahmte einfach Leclercs Tischmanieren nach.
Das Essen schmeckte köstlich. Aber trotzdem war Kate durch die Unruhe des Bohemiens irritiert. Sie versuchte öfter, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Aber Leclerc reagierte immer einsilbig darauf und verstummte sehr schnell wieder.
Als sie beim Kakaosorbet angelangt waren, platzte Kate der Kragen. „Roger, Sie sehen aus wie ein Patient auf dem Behandlungsstuhl eines Dentisten! Schmeckt Ihnen Ihr Essen nicht oder ist meine Gesellschaft für Sie plötzlich so ermüdend geworden, dass man Ihnen jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen muss?“
Leclerc zuckte zusammen. Es war, als ob er aus einer Trance erwachen würde. Er schien erst jetzt zu begreifen, dass sein unerwarteter Stimmungsumschwung seine Begleiterin gekränkt hatte. Er klang jedenfalls sehr zerknirscht, als er nun das Wort ergriff.
„Verzeihen Sie mir bitte, Kate. Mein Verhalten ist unentschuldbar – insbesondere, weil ich mich heute schon den ganzen Tag auf mein Rendezvous mit Ihnen gefreut hatte. Aber seit Sie Serpent erwähnt haben, kann ich diese schönen Momente in Ihrer Gesellschaft nicht mehr genießen. Ich fürchte mich nämlich sehr vor diesem Mann.“
Leclercs schlichtes Geständnis verblüffte Kate. Sie spürte, dass ihr Gegenüber es ehrlich meinte. Die Unruhe und Beklemmung, die sie bei Leclerc bemerkt hatte, konnte er ihr unmöglich vorgespielt haben.
So etwas tat nämlich kein Mann, der eine Frau verführen wollte. Kate hatte genug Lebenserfahrung, um das beurteilen zu können. Sie musste sich eingestehen, dass Leclerc bei ihr vielleicht
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