Hohle Köpfe
»Abgesehen davon, daß er ganz neu ist. Ich vermute, die Golems haben ihn geschaffen. Natürlich brauchten sie einen Priester für die Worte, und auch Herrn Hopkinsons Backofen. Wahrscheinlich war das für die beiden Alten sehr interessant. Immerhin waren sie Historiker.«
Jetzt stand Mumm mit offenem Mund da.
Schließlich faßte er sich wieder. »Ja, ja, natürlich«, sagte er, und seine Stimme klang fast normal. »Ja, ich meine, das ist
offensichtlich.
Völlig klare Sache. So was erkennt man auf den ersten Blick. Aber… äh… hast du auch herausgefunden, was
sonst noch
besonders an ihm ist?« fügte er hinzu und versuchte, sich seine Hoffnung nicht deutlich anmerken zu lassen.
»Meinst du den Umstand, daß er verrückt ist, Herr Kommandeur?«
»Nun, ich habe nie gedacht, daß er beim Vernunftswettbewerb von Ankh-Morpork den ersten Preis gewinnen könnte«, erwiderte Mumm.
»Die anderen haben ihn in den Wahnsinn getrieben, Herr Kommandeur. Die anderen Golems. Es steckte keine Absicht dahinter, aber es war gewissermaßen eingebaut. Sie erwarteten so viele Dinge von ihm. Er stellte praktisch ihr… ihr Kind dar. Er verkörperte alle ihre Hoffnungen und Wünsche. Und als sie feststellen, daß er Menschen umbrachte… So etwas ist
schrecklich
für einen Golem. Sie dürfen nicht töten, und der Mörder war
Ton von ihrem Ton
…«
»Auch für Menschen ist so etwas nicht gerade angenehm.«
»Er sollte die Zukunft sein…«
»Du hast mich gerufen, Herr Kommandeur?« fragte Gertie.
»Oh, ja. Ist das hier Arsen?« Mumm reichte ihr die Tüte.
Gertie schnupperte daran. »Es könnte Arsensäure sein. Natürlich muß ich es erst untersuchen.«
»Ich dachte immer, Säure gluckert in Flaschen und so«, sagte Mumm. »Äh… was ist das da an deinen Fingern?«
»Nagellack, Herr Kommandeur.«
»Nagellack?«
»Ja, Herr Kommandeur.«
»Äh… gut. Gut. Komisch, ich dachte, so was sei grün.«
»Würde an Fingern nicht besonders gut aussehen, Herr Kommandeur.«
»Ich meine das Arsen, Kleinpo.«
»Oh, Arsen kann verschiedene Farben annehmen, Herr Kommandeur. Die Sulfide – die metallhaltigen Mineralien – sind rot, braun, gelb oder grau. Wenn man Salpetersäure hinzugibt, bekommt man Arsensäure. Und jede Menge
sehr
scheußlichen Rauch.«
»Gefährliches Zeug«, sagte Mumm.
»Ja, Herr Kommandeur«, bestätigte Gertie. »Aber auch recht nützlich. Für Gerber, Färber, Maler… Nicht nur Giftmörder haben Verwendung für Arsen.«
»Es überrascht mich, daß nicht ständig irgendwelche Leute tot umfallen«, kommentierte Mumm.
»Oh, meistens benutzt man Golems, Herr Kommandeur…«
Die Worte hingen weiter in der Luft, als Gertie schwieg.
Mumm sah Karotte an und wagte kaum zu atmen. Jetzt ist es soweit, dachte er. Wir haben uns so sehr mit Fragen vollgestopft, daß sie über den Rand schwappen und zu Antworten werden.
Er fühlte sich so lebendig wie schon seit Tagen nicht mehr. Die jüngste Aufregung prickelte noch immer in seinen Adern und trieb sein Gehirn an. Auf diese Weise empfand man, wenn einen nicht mehr viel von der völligen Erschöpfung trennte. Man war so kolossal müde, daß man durch einen plötzlichen Adrenalinschub geistige und körperliche Flügel bekam. Jetzt lagen alle Teile des Puzzles vor ihnen. Die Kanten und Ecken, das ganze Bild. Es mußte nur noch zusammengesetzt werden…
»Die Golems…«, sagte Karotte. »Sie wären mit Arsen
bedeckt,
nicht wahr?«
»Das könnte durchaus passieren. Ich erinnere mich an einen Golem im Gildenhaus der Alchimisten von Quirm. Seine Hände bestanden zum größten Teil aus Arsen – weil er den Schmelztiegel mit den Fingern umrührte…«
»Sie spüren keine Hitze«, sagte Mumm.
»Auch keinen Schmerz«, fügte Karotte hinzu.
»Ja, das stimmt.« Gerties Blick wanderte unsicher zwischen Hauptmann und Kommandeur hin und her.
»Man kann Golems nicht vergiften«, stellte Mumm fest.
Karotte nickte. »Und sie gehorchen allen Befehlen. Wortlos.«
»Golems erledigen die besonders schmutzigen und scheußlichen Arbeiten«, sagte Mumm.
»Du hättest schon eher darauf hinweisen sollen, Grinsi«, sagte Karotte.
»Nun… äh… Golems sind einfach
da.
Niemand schenkt ihnen Beachtung.«
»Schmiere unter den Fingernägeln«, teilte Mumm dem Zimmer mit. »Der alte Priester hat den Mörder gekratzt. Deshalb haben wir Schmiere unter seinen Fingernägeln gefunden. Mit Arsen drin.«
Er blickte zu seinem Notizbuch, das noch immer auf dem Schreibtisch lag. Es ist dort
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